Nachbarschaft

Veröffentlicht am 06.09.2019 von Cay Dobberke

Bernd Oertwig, Schriftsteller und Journalist, berndoertwig.de

Seinen 70. Geburtstag hat Bernd Oertwig am Donnerstag unter anderem in einem seiner Stammlokale, dem Diener Tattersall in der Grolmanstraße, gefeiert. Wir gratulieren! Der gebürtige Spandauer wohnt seit vielen Jahren in Charlottenburg, allerdings nicht in der Umgebung des „Diener“ am Savignyplatz, sondern nahe dem Schloss. „Ich liebe diesen Kiez, weil es hier eine unglaubliche Mischung gibt“, sagt er. Selbst unter den türkischen Händlern rund um den Klausenerplatz habe sich die Lebensart des „bürgerlichen Charlottenburgs“ durchgesetzt. Als gute Restaurants in seiner Gegend empfiehlt Oertwig das Opera Italiana am Spandauer Damm, die Trattoria Fra Diavolo an der Neufertstraße und die griechische Taverna Elena in der Gierkezeile. An der Spree entlang radelt er gerne mit seiner Frau.

Oertwig liebt das Schreiben. „Ich wollte unbedingt zur Zeitung“, erzählt er. Nach einem Volontariat in Niedersachsen wurde er unter anderem Sportreporter, Lokalchef sowie Politik- und Nachrichtenchef bei der „BZ“, für die er nach dem Mauerfall auch ein Ost-Berliner Büro leitete. Auch für die „Bild“-Zeitung berichtete er in führender Position aus den neuen Bundesländern. Beim Radiosender 94,3 rs2 war er Chefredakteur.

Doch damit nicht genug. Bernd Oertwig schrieb auch für das „Berliner Lindenblatt“ über die Stadtgeschichte, gründete zusammen mit seiner damaligen Ehefrau eine Fotoagentur und verfasste Bücher. In diesen stellte er beispielsweise die einst berüchtigten Verbrecher der „Gladow-Bande“ oder auch den Berliner Radiomoderator Rik DeLisle (bekannt als „der alte Ami“) vor. Derzeit arbeitet Oertwig an seinem neuen Buch Berühmte Tote leben ewig. Berliner Schicksale (Verlag für Berlin-Brandenburg), das er am 11. Oktober ab 20 Uhr in der Marga Schöller Bücherstube an der Knesebeckstraße 33 vorstellen will. Es handelt von 16 mehr oder weniger prominenten Menschen, die in Berlin lebten und „auf nicht ganz gewöhnliche Weise starben“. Beispielsweise räumt das Buch mit dem verbreiteten Irrglauben auf, der Künstler George Grosz sei 1959 an einem Herzinfarkt gestorben. Nach Oertwigs Recherchen starb Grosz vielmehr, als er volltrunken aus dem „Diener“ kam und in seinem Wohnhaus die Treppe hinabstürzte.

Immer wieder das „Diener“. In diesem Lokal lernte Oertwig auch den geschäftsführenden Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, kennen. Seitdem ist er der Organisation, die an das Grauen im NS-Konzentrationslager Auschwitz erinnert, eng verbunden. Aktuell unterstützt Oertwig das Komitee bei einer geplanten Ausstellung, die ab Januar 2020 zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gezeigt werden soll und von Kindern handelt, die im KZ geboren wurden.

Vor dem Hintergrund seiner Gedenkarbeit und als früherer Berichterstatter aus den östlichen Bundesländern bedauert Oertwig die jüngsten Erfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen: „Es macht Angst, dass jeder Vierte die Nazis gewählt hat.“ Andererseits „fällt mir ein Stein vom Herzen, dass sie nicht die stärkste Partei geworden sind“.

Foto: Cay Dobberke

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