Nachbarschaft

Veröffentlicht am 12.08.2022 von Cay Dobberke

„Ich war der Reiseonkel“, sagt Uwe Krist über eine der wichtigsten Stationen seiner Karriere. Beim damals in Berlin ansässigen „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ baute er ab Mitte der 1990er Jahre vor allem das Reiseressort und eine Wirtschaftssendung auf. Viele Reisereportagen drehte er selbst. Später wurde Krist der Chef vom Dienst des Frühstücksfernsehens – und in den Jahren 2006 bis 2008 war er Korrespondent in Kalabrien. Dort spielt auch der erste Roman des Journalisten.

Italien ist für ihn ein „Sehnsuchtsland“. Doch er sieht auch gesellschaftliche Schattenseiten in der südlichen Region Kalabrien. Sein soeben erschienenes Buch „Elisabetta oder Das Sterben der Grille“ handelt vom „verzweifelten Fluchtversuch“ einer jungen Frau aus dem Bergland. Krist erzählt, sie wolle sich emanzipieren und damit den „brutalen Gesetze in der eigenen Familie“ und dem „männlichen Diktat mittelalterlicher Traditionen“ entkommen. Dieses bestimme auch noch im 21. Jahrhundert besonders das Leben der Frauen.

Der Roman enthalte „großenteils anonymisierte wahre Geschichten“ und sei ein „Reiseführer in die Herzen der Menschen“, sagt der Autor. Das Buch ist im Axel Dielmann Verlag erschienen und kostet 22 Euro (ISBN: 978-3-86638-366-1).

An einer Fortsetzung schreibt Uwe Krist bereits. Er plant eine „Elisabetta-Trilogie“, die unter anderem auch in Sizilien, Venedig und Neapel spielen soll.

Damit nicht genug: Im Buchprojekt „Margherita und die Liebe zum Damenbart“ will er „Typisches und Typen“ aus Sorrent, das sich zu seinem Lieblingsort entwickelt hat, in fröhlichen Anekdoten vorstellen. Und er bereitet einen Thriller über eine weltweite tödliche Hitzewelle vor, die mit einer „verstörenden Entdeckung unter der Erdkruste“ zusammenhängt und „wie künstliche Intelligenz ein eigenes, böses Bewusstsein entwickelt“. Krist weiß, dass dies an „Der Schwarm“ von Frank Schätzing erinnert, stört sich aber nicht daran.

Am 21. August feiert Uwe Krist seinen 81. Geburtstag. Er wurde in Wiesbaden geboren und studierte Vor- und Frühgeschichte, Archäologie sowie Kunstgeschichte in Münster und Neapel. Seine Italien-Liebe war vorher schon durch Bücher, Musik und Filme gewachsen. Doch lange „konnte ich es mir nicht leisten, hinzufahren“. Erst ein Stipendium führte ihn als Studenten nach Neapel. Nach seiner Promotion und ein paar Jahren in der Wissenschaft entschied er sich, in den Journalismus zu wechseln. Am Anfang stand ein Volontariat bei den „Ruhr Nachrichten“.

Fast 25 Jahre lang arbeitete Krist dann als Reporter und Ressortchef bei der „Welt am Sonntag“ und dem „Manager Magazin“ in Hamburg. Nach Berlin zog er später für die Arbeit beim Fernsehen. Auch als Rentner produzierte er weiterhin Dokumentationen sowie Kultur- und Reisereportagen. Insgesamt entstanden so mehr als 120 Filme.

Mit seiner Lebensgefährtin wohnt der Autor in der Charlottenburger Damaschkestraße. Er engagiert sich in der Bürgerinitiative für breitere Gehwege, über die wir schon vor rund einem Jahr berichtet haben. „Ich liebe diesen Kiez – und dann muss sich man sich auch einbringen.“ Gerne macht es sich Krist auf dem Kracauerplatz gemütlich, wo wir ihn vor dem Kunstgarten der Paula-Fürst-Schule fotografiert haben.

Das Schreiben macht ihm „wahnsinnig Spaß“. Nur an Berlin-Themen traue er sich nicht heran, weil ihm dafür wohl Detailkenntnisse fehlten, sagt Krist. Er gehört dem Förderverein der Literaturhauses Berlin an der Fasanenstraße und dem Verein der Freunde des Buchhändlerkellers Berlin an der Carmerstraße an. Gerne besucht Krist außerdem Ausstellungen, Museen, Konzerte im Quasimodo-Club an der Kantstraße oder das urige Restaurant „Diener Tattersall“ an der Grolmanstraße. In dieser war er auch lange Stammgast des griechischen Restaurants „Terzo Mondo“.

Zu seinem Freundeskreis gehört der Journalist Bernd Oertwig. Diesen haben wir bereits vor drei Jahren vorgestellt. Nach dem Beginn der Corona-Pandemie gründete Oertwig einen Online-Literaturkreis. Jeden Freitag tauschen sich die Teilnehmenden zu „Bekenntnisfragen“ aus. Laut Uwe Krist ging es bisher zum Beispiel darum, welches Lieblingsbuch man einmal verliehen und nicht wieder zurückbekommen habe –  und was diesen Verlust bedauerlich macht.

  • Foto: Cay Dobberke
  • Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge an cay.dobberke@tagesspiegel.de.