Intro

von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 31.08.2018

in der ersten BVV-Sitzung nach den Ferien war die Zukunft des Ratskellers im Rathaus Charlottenburg eines der umstrittensten Themen. Kurz zuvor hatte das Bezirksamt der Pächterin mitgeteilt, den Vertrag mit ihr zum Jahresende zu beenden. Das Restaurant ist oft auch ein Treffpunkt von AfD-Politikern. Ist die Kündigung also politisch motiviert? Manches spricht dafür. So hatte Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) dem Tagesspiegel bereits im Mai gesagt: „Wir bedauern sehr, dass sich der Pächter nicht auf unsere dringlichen Bitten einlässt, sich politisch mehr zurückzuhalten.“

Am Donnerstagabend nannte er aber andere Gründe. Man wolle in erster Linie die benachbarte Personalkantine im Rathaus schließen, die von der selben Pächterin betrieben wird. In den Räumen könnten dringend benötigte Verwaltungsbüros entstehen. Ersatzweise soll der Ratskeller mittags als Kantine dienen und abends weiterhin als klassisches Restaurant. Angedacht sei auch, das Lokal für Veranstaltungen zur „Demokratieförderung“ zu nutzen, sagte Schruoffeneger.“ Ein Ratskeller in einem öffentlichen Gebäude muss eine Funktion erfüllen.“

Genau genommen habe man der Pächterin nicht gekündigt, sondern fristgemäß die im Vertrag verankerte Chance genutzt, jeweils drei Monate vor dem Jahresende der Verlängerung um ein weiteres Jahr zu widersprechen. Grundsätzlich dürfe sich aber auch die bisherige Gastronomin an der geplanten Neuausschreibung beteiligen.

Wirtin Angelika Scholtz sieht darin „Ausreden“ und ist überzeugt davon, dass es um ihre Kundschaft von der AfD geht. An der Sitzung nahm sie nicht teil, sondern arbeitete währenddessen im Restaurant. „Ich bin politisch überhaupt nicht aktiv und bediene nur Gäste“, betonte Scholz auf Nachfrage. Stadtrat Schruoffeneger habe ihr bei einem Treffen vor ein paar Wochen „nur Fragen gestellt“ und keine Kündigungsgründe genannt. Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) sei nicht persönlich für sie zu sprechen gewesen. Jetzt stehe sie, ebenso wie acht Mitarbeiter, vor der Arbeitslosigkeit.

Dem Vernehmen nach war Naumann eine treibende Kraft bei der Vertragsauflösung. In der BVV überließ er jedoch dem Baustadtrat das Wort. Die AfD-Fraktion beantragte eine Rücknahme der Entscheidung und warf Schruoffeneger vor, er verwechsele „Parteipolitik mit Verwaltungshandeln“. Auch FDP-Vizefraktionschef Felix Recke forderte „mehr Transparenz“ und sprach von einem „politisch motivierten Eingriff“, der „zumindest mit der BVV hätte abgestimmt werden müssen“. Ausnahmsweise stimmte die FDP deshalb zusammen mit der AfD. Dagegen ließen die anderen Fraktionen den Antrag mit ihrer Mehrheit scheitern.

Nachträglich wurde dem Tagesspiegel ein Schreiben zugespielt, das der Sache eine ganz neue Wendung gibt: In dem Brief aus dem Juli beklagt ein Anwalt der Gastronomin, diese sei vertraglich dazu verpflichtet, alle „Vereinigungen und politischen Gruppierungen“ zu bewirten, die eine Fraktion in der BVV haben. AfD-Veranstaltungen beziehungsweise die rufschädigende öffentliche Kritik daran hätten zu „erheblichen Beeinträchtigungen“ für andere Gäste und die Mitarbeiter geführt. Der Anwalt verlangte eine Vertragsänderung, um auch Bezirkspolitiker fernhalten zu können, sofern diese durch antidemokratische oder rassistische Äußerungen aufgefallen seien.

Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an leute-c.dobberke@tagesspiegel.de