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von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 23.08.2019

die City West ruft den Klimanotstand aus als zweiter Berliner Bezirk nach Pankow. Das beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in ihrer ersten Sitzung nach der Sommerpause mit der rot-rot-grünen Mehrheit. Über den Rat der Bürgermeister will man auch weitere Bezirke und den Berliner Senat dazu auffordern, den Klimanotstand festzustellen.

Und was heißt das für Charlottenburg-Wilmersdorf? Ein „Klimaschutzmanager“ soll Maßnahmen koordinieren. Zu den Forderungen gehören die „klimaneutrale Energieversorgung von Neubauten“, ein „Klimavorbehalt“ in allen Bezirksamtsbeschlüssen und ein Konzept für öffentliche Gebäude, um in diesen beispielsweise mehr Solar-Anlagen zu installieren. Der Rad- und Fußverkehr soll „mit Priorität verbessert“ werden und das Bezirksamt bis 2030 keine eigenen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr einsetzen.

Gestrichen wurde dagegen die ursprüngliche SPD-Forderung, BVG-Busse nur noch „mindestens mit Hybridantrieb“ in der westlichen Innenstadt fahren zu lassen. Alle Fraktionen hatten ihre Meinungen schon vorab im „Thema des Monats“ auf der Webseite des Bezirks kundgetan.

Auch Bäume sind gut für das Klima. Doch aktuell warnen die SPD-Fraktion und der Förderkreis Olivaer Platz um die SPD-Politikerin Monica Schümer-Strucksberg vor einem Baumsterben auf dem Olivaer Platz, falls auf der Baustelle für den neuen Park nicht sofort ausreichend gewässert werde. Nach Kenntnis der SPD sind bereits „etliche Bäume durch Vernachlässigung in Folge von Unwettern umgefallen“. Bau- und Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) bestätigte, dass drei Birken verdorrt seien. Birken seien allgemein „die empfindlichsten Gewächse“ bei trockener Hitze. Auch einer Linde gehe es nicht gut, sie habe etwa die Hälfte aller Blätter abgeworfen. Laut Schruoffeneger wurde soeben damit begonnen, die Bäume an 32 Stellen mit einer „Nährlösung“ zu versorgen. Dies wolle man im September ausweiten. Ein Problem bestehe darin, dass nie Bewässerungskanäle angelegt worden seien. Die SPD blieb bei ihrer Auffassung, dass „die Bäume durch die Baustellenumzäunung schlecht zugängig sind, unter den Baumaßnahmen leiden und sich insgesamt in einem desolaten Zustand befinden“.

Für die Kleine Kaskade im Lietzenseepark erschiene „desolater Zustand“ unterdessen fast noch als milde Bezeichnung. Seit Jahren liegen die Wasserspiele unterhalb der Wundtstraße trocken, weil die alte Brunnentechnik kaputt ist. Die Sanierung war bis zur Feier des 100. Park-Jubiläums im kommenden Jahr geplant. Doch im vorigen Juli teilte Bau- und Umweltstadtrat Schruoffeneger der BVV in einer „Vorlage zur Kenntnisnahme“ mit, dass sich der Baubeginn bis zum zweiten Quartal 2020 verzögere. Jetzt kritisierten die SPD, CDU, FDP und Linken, der Stadtrat habe im Mai den falschen Eindruck erweckt, dass die Arbeiten schon laufen.

Schruoffeneger widersprach. Er habe die BVV bereits zuvor darüber informiert, dass man derzeit keine Mittel aus der Investitionsplanung bereitstellen könne, weil das Geld für die Sanierung des Schoeler-Schlösschens in Wilmersdorf gebraucht werde. Ersatzweise versuche man, Mittel aus der „baulichen Unterhaltung“ für die Kaskade abzuzweigen. Immerhin seien die Bauplanungsunterlagen und Vermessungen „fertig“.  Das Hauptproblem sei die vorgeschriebene „Kampfmitteluntersuchung“. Der Stadtrat hofft, diese Suche nach eventuellen Blindgängern aus dem Zweiten Weltkrieg durch die Neubesetzung zweier Stellen im Grünflächen- und Umweltamt doch noch „etwas schneller“ erledigen zu können. Nach Ansicht des SPD-Politikers Martin Burth hat die Verwaltung die Sanierungsvorbereitungen dagegen zu spät in Auftrag gegeben. Es dürfe nicht dazu kommen, dass ausgerechnet während der Jubiläumsfeiern im Sommer 2020 ein Bauzaun um die Kaskade den Park verschandelt.

Bei antisemitischen Vorfällen belegt Charlottenburg-Wilmersdorf berlinweit den traurigen Platz 2, mit steigender Tendenz. Das ging aus einer Anfrage an das Bezirksamt hervor, in der sich die SPD-Bezirksverordnete Ann-Kathrin Biewener auf Zahlen der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) berief. Zuletzt waren ein Rabbiner beleidigt und angespuckt sowie ein anderer jüdischer Mann zu Boden gestoßen worden. Bürgermeister Reinhard Naumann (SPD) antwortete, das Bezirksamt teile die Einschätzung der RIAS, wonach die Gesamtzahl antisemitischer Vorfälle in Berlin und im Bezirk „konstant auf hohem Niveau bleibt“, verbunden mit einer besorgniserregenden „deutlichen Zunahme“ der Bedrohungen und tätlichen Angriffe. Im Jahr 2018 seien in der City West 48 Vorfälle verschiedenster Art registriert worden. Hinzu komme eine hohe Dunkelziffer, da kleinere Zwischenfälle oft nicht gemeldet würden.

Die hohe Zahl erklärte der Bürgermeister mit mehreren Faktoren. Die Citylage führe zu „hohem Publikumsverkehr“ in „öffentlichen Begegnungsräumen“ und an Verkehrsknotenpunkten. Außerdem gebe es im Bezirk einen“zum Glück hohen Anteil jüdischer Bevölkerung“ sowie viele jüdische und israelische Institutionen. Naumann sieht „eine erhebliche Verunsicherung in der jüdischen Community, gerade auch bei uns in der City West“. Gegen Antisemitismus helfe „nur ein Zusammenwirken aller bezirklichen Akteure von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft“. Als Beispiele für Projekte, die Toleranz fördern und Vorurteile abbauen, nannte er die Partnerschaft für Demokratie, den deutsch-israelischen Jugendaustausch und den Interreligiösen Dialog mit Vertretern vieler Glaubensrichtungen.

Einen Milieuschutz für Charlottenburg-Nord und die Siemensstadt soll das Bezirksamt gemeinsam mit dem Nachbarbezirk Spandau (in dem der größte Teil der Siemensstadt liegt) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung prüfen. Einem entsprechenden Antrag der Linksfraktion waren die SPD und die Grünen bereits vor dem mehrheitlichen Beschluss beigetreten. Linksfraktionschef Niklas Schenker argumentierte, durch das große Entwicklungsprojekt Siemensstadt 2.0 des Siemens-Konzerns werde der „Verdrängungsdruck“ in beiden Wohngebieten zunehmen. CDU und FDP lehnten den Antrag ab. Hans-Dieter Asbeck (AfD) votierte für den Milieuschutz, seine Fraktionskollegen enthielten sich der Stimme.

Zur Diskussion um den Hohenzollernplatz kam es noch nicht, das Thema wurde zur Beratung in die BVV-Ausschüsse überwiesen. Wie berichtet, fordern die Linken die Umbenennung des Platzes wegen der Besitzansprüche des Hauses Hohenzollern auf Kunstwerke in Museen, aber auch wegen des einstigen deutschen Kolonialismus in Afrika, der „Hauptschuld“ des Kaiserreichs am Ausbruch des Ersten Weltkriegs sowie der Rolle mancher Hohenzollern beim Aufstieg des Nationalsozialismus.

Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an cay.dobberke@tagesspiegel.de