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von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 27.09.2019

an die für heute geplante Wiedereröffnung des „Hauses am Lietzensee“ dürften sich die Beteiligten noch lange erinnern – als große Enttäuschung. Nach der rund 21-monatigen Schließung für eine Gebäudesanierung finden zunächst keine öffentlichen Aktivitäten in dem als Nachbarschaftstreff gedachten, bezirkseigenen Haus an der Herbartstraße statt. Bisher gibt es nur Büros des neuen Trägers Kreisverband Berlin Zentrum des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der seine Geschäftsstelle dorthin verlagert hat, und einen Raum für das Jugendrotkreuz.

„Ich bin stinksauer“, sagte der Charlottenburg-Wilmersdorfer Gesundheits- und Sozialstadtrat Detlef Wagner (CDU) dem Tagesspiegel. Und damit ist er nicht alleine. Das Bezirksamt hatte verlangt, dass viele der früheren Nutzer zurückkehren können. So war es in dem vom DRK gewonnenen Interessenbekundungsverfahren verankert. Es geht beispielsweise um Selbsthilfe-, Tanz- und Gesangsgruppen, einen Schachklub und andere Vereine. 29 Gruppen bekundeten ihr Interesse.

Nun kommt heraus, dass der DRK-Kreisverband noch keinen Mietvertrag geschlossen, sondern die Bewerbungen gerade erst seinem Justiziar zugeleitet hat. Auch das angekündigte Mehrgenerationenhaus des Vereins „Kiezkultur“, der sein altes Quartier nahe dem Klausenerplatz verloren hat, existiert bisher nicht.

Am Donnerstag tagte der BVV-Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Arbeit im Haus am Lietzensee, um es kurz vor der Wiedereröffnung zu besichtigen. Niemand ahnte Böses. Als die Bezirksverordneten aber vom Leerstand der Veranstaltungsräume erfuhren, fielen deutliche Worte. Der Ausschussvorsitzende Norbert Wittke (SPD) sprach von einem „starken Stück“. Reinhold Hartmann (CDU) nannte das Haus ein „Potemkinsches Dorf“, in dem „nichts stattfindet“. Die Bewerbungen um Räume „hätte man vor drei Monaten prüfen können“.

Für Karsten Sell (CDU) handelt es sich um eine „Katastrophe“. Seine Fraktionskollegin Judith Stückler ist außerdem „entsetzt“ darüber, wie „traurig und trostlos“ das Haus wirke. Weder Girlanden, Ballons oder Blumen seien zu sehen. Bis gestern deutete nichts auf ein Fest hin. Auf der Infotafel, die seit vielen Jahren draußen am Gehweg steht, gab es kein Einladungsplakat.

Die undankbare Aufgabe, das Haus dem Ausschuss vorzustellen, fiel einem DRK-Abteilungsleiter für Ausbildung zu, der eigentlich nicht zuständig ist. Er vertrat eine erkrankte Geschäftsführerin und konnte nur wenige Fragen beantworten. Deshalb kündigten Bezirksverordnete an,  dass der zur heutigen Feier erwartete DRK-Kreisvorsitzende Peter Bauer einiges zu erklären haben werde.

Stadtrat Wagner betonte, das Bezirksamt habe versucht, die Fortschritte zu kontrollieren und das DRK gefragt, ob die Eröffnung die angeblich wegen Problemen mit der Telefonanlage um Monate verschoben worden war nun möglich sei. Dies habe der neue Träger bejaht. Also hätten er und das Sozialamt angenommen, dass alle Vorgaben erfüllt seien und nicht ein „leeres Haus“ aufmacht.

Die BVV-Fraktionsvertreter einigten sich auf einen Antrag, in dem sie das Bezirksamt auffordern, „Sorge dafür zu tragen“, dass die externen Nutzer „spätestens am 1. November ihre Arbeit aufnehmen können“. Außerdem wollen sie „kurzfristig“ und „vertraulich“ den Vertrag des Bezirks mit dem DRK einsehen.

Der Vorgänger an gleicher Stelle war das von einem Verein betriebene „Nachbarschaftshaus am Lietzensee“. Es musste Ende 2017 schließen. Der Bezirk begründete dies mit der Sanierung. Allerdings gab es auch Streit um die Vereinsarbeit. Die Senatssozialverwaltung hatte ihre Zuschüsse gestoppt. Der im vorigen Januar verstorbene Bezirks-Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) wollte das Gebäude der Wilmersdorfer Seniorenstiftung übertragen. Die BVV setzte gegen seinen Willen das Interessenbekundungsverfahren durch.

Cay Dobberke, geboren in Berlin, wohnt seit mehr als 25 Jahren in Wilmersdorf. Wenn Sie Anregungen, Kritik, Wünsche, Tipps haben, schreiben Sie ihm bitte eine E-Mail an cay.dobberke@tagesspiegel.de