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von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 09.12.2022

eine Schließung von Karstadt Charlottenburg wird leider immer wahrscheinlicher. An der Stelle des Kaufhauses in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße plant der Immobilieneigentümer eine Neubebauung. Das erfuhr der Tagesspiegel aus dem Bezirksamt. Karstadts Mietvertrag läuft Anfang 2024 aus (wir berichteten).

Sowohl das Kaufhaus als auch dessen Parkhaus an der Pestalozzistraße sollen für neue Geschäfts- und Wohngebäude abgerissen werden. Das Grundstück gehört einer Tochtergesellschaft der Unternehmensgruppe Brenninkmeijer (C&A).

Mehr über das Projekt dürfte in der nächsten Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Charlottenburg-Wilmersdorf am 15. Dezember bekannt werden. Die Grünen-Fraktion hat eine Große Anfrage dazu gestellt.

Außerdem fordert die Linksfraktion in einem Antrag, das Stadtplanungsamt solle „auf einen vorläufigen Stopp städtebaulicher Projekte an den Warenhausstandorten im Bezirk hinwirken“, falls „der vereinbarte Fortbestand der Warenhäuser nicht gewährleistet ist“.

Damit erinnern die Linken an eine Absichtserklärung, die der Berliner Senat und die österreichische Signa-Gruppe im August 2020 verkündet hatten. Signa ist der Mutterkonzern der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. In dem „Letter of Intent“ sicherte das Unternehmen zu, Standorte und Arbeitsplätze zu erhalten. Als Gegenleistung stellte die Landesregierung in Aussicht, Signa bei Bauprojekten auf dem Karstadt-Gelände am Kurfürstendamm, am Hermannplatz in Neukölln und am Alexanderplatz in Mitte entgegen zu kommen.

Unabhängig davon will das Bezirksamt die Fußgängerzone in der Wilmersdorfer Straße nördlich um etwa 200 Meter verlängern. Diese „Teileinziehung öffentlichen Straßenlandes“ wurde Mitte November im Berliner Amtsblatt angekündigt. Nach einer mehrwöchigen Einspruchsfrist ist eine zweite Veröffentlichung nötig. Danach „kann es schnell gehen“, sagt Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne).

Es geht um den Abschnitt zwischen der Schillerstraße und der Bismarckstraße. Ganz autofrei wird dieser aber nicht. Das Amt sieht sich dazu verpflichtet, den Kundenparkplatz eines türkischen Supermarkts von der Bismarckstraße aus erreichbar zu halten. Deshalb ist in einem rund 50 Meter langen Fahrbahnteil nur eine Verkehrsberuhigung geplant.

„Wie weiter mit der Wilmersdorfer Straße?“, lautet auch das „Thema des Monats“ der BVV. Alle Fraktionen äußern sich dazu schriftlich auf der Webseite des Bezirks.

Der Bezirk tue viel für die Fußgängerzone, betont beispielsweise Herbert Nebel (Grüne). Die Verlängerung sei ein großer Fortschritt. Außerdem werde mehr Grün geschaffen und die Zahl der Abstellplätze für Fahrräder erhöht. Nötig seien auch mehr Sitzmöglichkeiten und öffentliche Einrichtungen wie eine Bibliothek. Ein Standortmanagement arbeite an einem „neuen Leitbild“ für die Wilmersdorfer Straße.

Das Standortmanagement sei 2021 auf Initiative der SPD gestartet, schreibt deren Fraktionsvorsitzender Alexander Sempf. Auch er wünscht sich einen „ansprechenden Mix aus Geschäften, bezirklichen Institutionen und zum Beispiel Kultureinrichtungen“.

Dem „weit verbreiteten Leerstand“ müsse begegnet werden, findet Manuel Sandvoß (CDU). Die Wirtschaftsförderung könne mit Vermietern von Ladenräumen über Zwischennutzungen sprechen. Denkbar seien unter anderem „Showrooms für Handwerksbetriebe“. Darüber hinaus sollten die „Sicherheit und Ordnung“ in der Fußgängerzone verbessert werden.

Nach Einschätzung der FDP wäre die Schließung von Karstadt ein starker „Attraktivitätsverlust“. Sie könne aber auch die Chance bieten, den „individuellen Einzelhandel zu stärken“, glaubt Fraktionschef Felix Recke-Friedrich. Er fordert die „Genehmigung von gastronomischen Einrichtungen in der Straße mit attraktiven Öffnungszeiten, die auch eine Ansiedlung von kulturellen Angeboten wie Kleinkunstbühnen einschließt“.

Im „veralteten Konzept“ einer reinen Einkaufsstraße sieht die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Annetta Juckel, das größte Problem. „Statt einer seelenlosen Shoppingmeile braucht es einen attraktiven Standort für Kleingewerbe – genauso wie für unkommerzielle Freiflächen, soziale Infrastruktur, Spielplätze und Grünflächen.“

Sicherheit und Sauberkeit bezeichnet der AfD-Fraktionschef Martin Kohler als „Grundvoraussetzungen“. Außerdem „muss das Bezirksamt mit Handel und Immobilieneigentümern für eine abwechslungsreiche Gestaltung sorgen“. Dafür könne eine Standortgemeinschaft – ein sogenannter  Business Improvement District – gegründet werden. Als Vorbild nennt Kohler den BID Ku’damm Tauentzien.

  • Fotos: imago images/imagebroker, TSP/Cay Dobberke