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von Cay Dobberke
Veröffentlicht am 03.02.2023
mehr als acht Jahre lang kämpften Anwohnende gegen das Wohnungsbauprojekt auf der Cornelsenwiese in Schmargendorf – doch verhindern konnten sie es nicht. Seit dem vergangenen Mittwoch wurden zahlreiche Bäume in dem Grünzug am Franz-Cornelsen-Weg gefällt.
Das Immobilienunternehmen Becker & Kries plant eine „Nachverdichtung zur Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum“. So steht es auf Aushängen, mit denen die Baumfällungen angekündigt wurden. In sechs neuen Häusern zwischen der Dillenburger, Sodener und Wiesbadener Straße sollen insgesamt 113 Mietwohnungen entstehen, darunter 32 Sozialwohnungen. Hinzu kommen rund 100 Autostellplätze in zwei Tiefgaragen. Ersatzpflanzungen für die Bäume sind andernorts vorgesehen, so steht es in einer Vereinbarung mit dem Bezirksamt.
Eine Wortführerin der Anwohnerschaft ist die Schriftstellerin Jenny Schon, die direkt neben der Wiese in einem der bestehenden Mietshäuser wohnt. Über ihren Protest hatten wir schon im Jahr 2014 berichtet. Der Verlust des Grüns sei ein „gravierender Eingriff in die Natur und unser Wohlempfinden und Gesundheit“, schrieb sie jetzt in einer Rundmail. Unter den Bestandsmieter:innen seien „Menschen, die schon seit West-Berliner Zeiten“ dort gewohnt hätten und „die Stadt am Leben hielten“. Nun „werden sie bestraft und sind nicht geschützt“.
In dem langen Hin und Her um das Bauvorhaben hatte eine Bürgerinitiative genügend Unterschriften für einen Einwohnerantrag in der Bezirksverordnetenversammlung gesammelt. In der Folge stimmte die BVV im Mai 2019 zuerst mit knapper Mehrheit gegen das Projekt, im August 2021 aber dafür. Damals lobte die SPD, Becker & Kries sei „ein verantwortungsvoller Vermieter, der bezahlbaren Wohnraum schafft“.
Naturschutzverbände bezeichneten die Planungen als rechtswidrig. Die Wiese gehört dem Immobilienunternehmen, umstritten blieb aber, ob sie aufgrund einer jahrzehntealten „Grunddienstbarkeit“ als öffentliche und geschützte Grünanlage einzustufen sei. Das Bezirksamt verneinte dies.
Die Pläne widersprechen einem Bürgerbegehren aus dem Jahr 2016. Dieses war eine Reaktion auf die Teilbebauung der nahen Kleingartenkolonie Oeynhausen in Schmargendorf. Das Bezirksamt solle alle Grünflächen und Kleingärten in Charlottenburg-Wilmersdorf „dauerhaft sichern und bestehende andere Planungen unverzüglich aufheben“, hieß es. Zu einem Bürgerentscheid kam es nur nicht, weil die BVV die Forderungen in einem eigenen Beschluss übernahm.
Die Berliner CDU-Abgeordnete Stefanie Bung, deren Wahlkreis in Schmargendorf und Wilmersdorf-Süd liegt, schrieb dem Tagesspiegel, sie habe die Bebauung immer abgelehnt. „Maßgeblich die SPD, FDP und leider auch Teile meiner Partei“ hätten aber zugestimmt, obwohl die Wiese „als Ausgleich und Frischluftschneise“ für die Autobahnüberbauung in der Schlangenbader Straße wichtig sei.
Zwischen beiden Wohngegenden gibt es aktuell einen weiteren Zusammenhang: Die landeseigene Wohnungsgesellschaft Degewo will ihre als „Schlange“ bekannte Siedlung aus den 1970er Jahren bald sanieren und einige Mieter:innen währenddessen in den Neubauten auf der Cornelsenwiese unterbringen.