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von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 28.04.2023

jetzt steht es fest: In unserem Bezirk regiert künftig eine schwarz-grüne Mehrheit. Am vergangenen Mittwoch unterzeichneten die CDU und die Grünen ihre Zählgemeinschaftsvereinbarung für die Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Und diese wählte in ihrer Sitzung am Donnerstag den CDU-Baupolitiker Christoph Brzezinski zum neuen Stadtentwicklungsstadtrat.

Unser Foto zeigt ihn rechts und in der Mitte die grüne Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne). Sie bleibt im Amt, obwohl die CDU bei der Wahlwiederholung im Februar mit 30,7 Prozent der Stimmen zur stärksten Kraft geworden war. Ihre Stadtratsposten behalten auch Arne Herz (CDU), Oliver Schruoffeneger (Grüne), Detlef Wagner (CDU) und Heike Schmitt-Schmelz (SPD). Auf unserem Bild sind sie von links nach rechts zu sehen.

Gesundheits- und Jugendstadtrat Wagner wurde in der BVV zusätzlich zum Vize-Bezirksbürgermeister gewählt. Nach Tagesspiegel-Informationen möchte er in dreieinhalb Jahren, wenn die nächste Legislaturperiode beginnt, zum Bürgermeister aufsteigen. Auf Nachfrage äußerte sich Wagner zurückhaltend: Bis zur Neuvergabe des Chefpostens müsse „noch viel geschehen“. Die Vereinbarung zwischen der CDU und den Grünen regelt jedenfalls nicht, wer ab 2026 an der Spitze des Bezirksamts stehen wird.

Die SPD muss als nur noch drittstärkste Kraft zurückstecken. Stadtentwicklungsstadtrat Fabian Schmitz-Grethlein hat sein Amt nach nur 16 Monaten an Christoph Brzezinski verloren. In einer persönlichen Erklärung während der BVV bedauerte er dies, zeigte sich aber dankbar dafür, dass er im Wohnbezirk seiner Familie eine gestaltende Rolle spielen konnte. Vor seiner Amtszeit hatte Schmitz-Grethlein als Energie-Experte beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gearbeitet. Jetzt sucht er einen neuen Job.

Etwas kurios: Während für vier der Bezirksamtsmitglieder keine Neuwahl nötig war, weil ihre Amtszeit einfach fortdauert, wurde Heike Schmitt-Schmelz abermals zur Stadträtin ernannt. Der Grund: Sie ist nicht mehr stellvertretende Bürgermeisterin und kommt damit in eine andere Besoldungsgruppe (B4 statt B5).

Über die Ziele der schwarz-grünen Zählgemeinschaft haben wir bereits berichtet (nachzulesen hier). Inzwischen hat die Grünen-Fraktion die schriftliche Vereinbarung auf ihrer Webseite veröffentlicht. Bei der Unterzeichnung des Papiers zeigten sich Vertreter:innen beider Parteien demonstrativ einig. Bürgermeisterin Bauch sprach von einem „vertrauensvollen und fast freundschaftlichen“ Verhältnis zur CDU im Bezirk. Deren Kreisvorsitzender Klaus-Dieter Gröhler sagte: „Die Stimmung ist gut.“ Bei den Verhandlungen sei es vor allem „um die Inhalte“ und nur „zweitrangig“ um Personalien gegangen.

Andere Parteien und Fraktionen reagieren kritisch. Beispielsweise rechnet die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Annetta Juckel, mit Interessenskonflikten in der Baupolitik. Der neue Stadtrat Brzezinski werde als „Anwalt der Immobilienlobby“ über Genehmigungen oder Ausnahmen von baulichen Auflagen entscheiden, schrieb Juckel in einer Erklärung. Brzezinski war bisher für eine Wirtschaftskanzlei tätig und dort auf baurechtliche Fragen spezialisiert. Aus Sicht der Linken beschleunigt die Zählgemeinschaftsvereinbarung den Neubau von „Luxus- und Eigentumswohnungen sowie Bürogebäuden, statt soziale Vorgaben“ für die Stadtentwicklung zu setzen.

In der Verkehrspolitik befürchten die Linken einen „Rückschritt“ zulasten des Rad- und Fußgängerverkehrs sowie des öffentlichen Nahverkehrs.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Felix Recke-Friedrich rechnet mit einem „politischen Stillstand“ und „verlorenen Jahren für den Bezirk“. Die CDU mache sich „zur Steigbügelhalterin für grüne Interessen“. Nach „unbezahlbarer linker Fantasie“ klinge beispielsweise das Ziel der Zählgemeinschaft, eine bezirkseigene Stiftung für Ankäufe von Wohnungen zu gründen.

Bei der geplanten Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung „bleibt man schwammig“, ärgert sich Recke-Friedrich. Die Vereinbarung der CDU und Grünen sieht eine „vorherige Beteiligung und Information der Bürgerinnen und Bürger“ vor. Nach Ansicht des FDP-Fraktionschefs bleibt jedoch offen, ob das laufende Bürgerbegehren seiner Partei und der Bürgerinitiative Gervinusstraße gegen neue Parkgebührenzonen berücksichtigt wird.