Intro

von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 23.06.2023

die Schließung von Karstadt an der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße scheint kaum noch abwendbar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt – auch unter Politikerinnen und Politikern im Bezirk und beim Betriebsrat des Warenhauses. Der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof hat angekündigt, die Filiale Anfang 2024 aufzugeben. Über alternative Lösungen wurde am vergangenen Mittwoch bei einer Veranstaltung der Linkspartei diskutiert. Mit dabei war die Charlottenburg-Wilmersdorfer Bürgermeisterin Kirstin Bauch (Grüne).

Vorgeschlagen wurden eine große Einzelhandelsfläche für Karstadt in Neubauten, die der Eigentümer der Immobilie plant, eine Verlängerung des Mietvertrags bis zum Baubeginn, aber auch mehr politisches Engagement von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD).

Eine Frau im Publikum regte sogar eine Reise zur Zentrale der Galeria Karstadt Kaufhof in Essen an. Politisch Verantwortliche, Mitglieder des Betriebsrats und der Gewerkschaft Verdi sowie Stammkund:innen sollten das persönliche Gespräch mit dem Konzernvorstand suchen.

Noch immer gibt es widersprüchliche Darstellungen zur Frage, ob die Warenhauskette und deren Mutterkonzern Signa kein Interesse am Standort mehr haben oder ob der Vermieter die Vertragsverlängerung verhindert. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Bürgermeisterin Bauch verhandelte mit Vertretern von Karstadt, Signa und der Firma Redevco. Letztere ist der Grundstückseigentümer und gehört zur Unternehmensgruppe Brenninkmeijer (C&A). Sie habe Redevco davon überzeugen können, die Verkaufsfläche im geplanten Neubau von 2000 auf 4000 Quadratmeter zu verdoppeln, sagte Kirstin Bauch. Karstadt habe deutlich gemacht, viel Fläche zu benötigen.

Leider seien auch 4000 Quadratmeter zu wenig, gab der Charlottenburger Karstadt-Betriebsratsvorsitzende Andreas Werner zu bedenken. In zwei deutschen Städten werde das Zukunftskonzept „Galeria 2.0“ erfolgreich umgesetzt. Es wäre übertragbar – doch dafür brauche man 6000 bis 8000 Quadratmeter. Darauf wies auch Ralph Thomas aus dem Fachbereich Handel der Gewerkschaft Verdi in Berlin hin.

Werner stellte die Frage, warum der Vermieter den Vertrag nicht bis zum Abriss des Bestandsgebäudes fortführt. Kirstin Bauch glaubt, den Grund zu kennen: Aktuell zahle Karstadt nur etwa 40 Prozent der ortsüblichen Gewerbemiete – nämlich 1,3 statt drei Millionen Euro pro Jahr. Es sei wirtschaftlich „verständlich“, dass der Vermieter nicht auf Einnahmen verzichten wolle.

Ob die Galeria Karstadt Kaufhof mehr Geld aufbringen könnte, weiß die Bürgermeisterin nicht – der Konzern steckt in einem Insolvenzverfahren. Andererseits stellte der Betriebsratsvorsitzende klar, dass die Filiale kein Verlustbringer sei: „Wir schreiben schwarze Zahlen.“

Der Linken-Abgeordnete Niklas Schenker kritisierte einen Abriss des Karstadt-Hauses auch als „ökologisch absurd“. Er wünsche sich eine „kommunale Steuerung“ für große Handelsstandorte, die es dem Land Berlin bei Bedarf ermögliche, Immobilien anzukaufen oder zu enteignen und Obergrenzen für Gewerbemieten festzulegen. Bürgermeisterin Bauch hielt „Fördermittel für Kaufhaus-Umbauten“ für denkbar.

„Mehr Druck aufs Rote Rathaus und den Vorstand in Essen“ forderte der Bezirksverordnete Rüdiger Deißler aus der Linksfraktion Charlottenburg-Wilmersdorf.

Gewerkschaftsvertreter Ralph Thomas ärgerte sich darüber, dass die Signa-Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko staatliche Kredite und Unterstützung im Einzelhandelsbereich erhalte, während sie zugleich riesige Gewinne mit ihrer Immobiliensparte mache.

Signa sei „in erster Linie ein Projektentwickler“ für Neubauten, sagte Kirstin Bauch. Würde das Areal an der Wilmersdorfer Straße dem Konzern gehören, wäre das Warenhaus vielleicht nicht infrage gestellt worden. Es hätte sich als Ersatz-Arbeitsstätte für Beschäftigte von Karstadt am Kurfürstendamm geeignet.

Dieses Warenhaus will Signa durch zwei Hochhäuser und andere Neubauten ersetzen. Dabei soll auch eine neue Karstadt-Filiale entstehen. Aber während der Bauzeit wird kein Verkauf am Ku’damm möglich sein.

Eines der Probleme an der Wilmersdorfer Straße sieht die Bürgermeisterin im „fehlenden Vertrauen“ zwischen den Beteiligten. „Was soll ich machen, wenn der Vermieter und der Mieter nicht mehr miteinander möchten?“ Ihr „einziges Druckmittel“ sei ein städtebaulicher Vertrag, den der Gebäude-Eigentümer mit dem Bezirk schließen müsse, um das Neubauprojekt zu realisieren.