Intro

von Cay Dobberke

Veröffentlicht am 20.10.2023

„in der BVV werde ich gegrillt“, ahnte der Charlottenburg-Wilmersdorfer Jugendstadtrat Detlef Wagner (CDU) vor der gestrigen Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung. Und so kam es dann auch im gemeinten übertragenen Sinn. Alle Fraktionen außer der CDU und AfD kritisierten Wagner für die Kündigung des Mietvertrags mit dem Kinder- und Jugendclub Schloss 19, die er nur nebulös begründet hatte.

Betreiber des Clubs an der Schloßstraße ist die Sozialistische Jugend Deutschland – Die Falken. Der Jugendverband gilt als SPD-nah und führt im Haus auch das Register Charlottenburg-Wilmersdorf, das rechtsextreme und diskriminierende Vorfälle dokumentiert. Außerdem nutzen externe Sport-, Tanz- und Bildungsgruppen die Räume.

Bereits am vergangenen Dienstag war im Jugendhilfeausschuss über die Kündigung debattiert worden, nachdem sich „Die Falken“ hilfesuchend an BVV-Fraktionen gewandt hatten. Detlef Wagner erntete schon in dieser Sitzung heftige Kritik. Wohl nicht zuletzt deshalb kam er Donnerstag zu einer „Begehung“ in den Club, nahm die Kündigung dabei zurück und bat um Entschuldigung für die „Irritationen“, die durch eine „hohe Geschwindigkeit der Entwicklung“ entstanden seien.

Wie kam es überhaupt zu der überraschenden Kündigung, die ursprünglich zum Jahresende wirksam werden sollte? Im Ausschuss berief sich Wagner zunächst auf das „Facility Management“, das die Gebäudeverwaltung des Bezirksamts ist. Es habe jahrelang Verstöße gegen Brandschutzvorschriften bemängelt und dabei ein „Muster“ festgestellt. Pikanterweise widersprach sein Bezirksamtskollege und Parteifreund, Baustadtrat Christoph Brzezinski (CDU), in der BVV: Dem Facility Management, das zu seinem Ressort gehört, seien „keine Mängel bekannt“-

So kam der Verdacht auf, es könne politische Motive gegeben haben. „Politik wird missbraucht gegen diesen Träger“, sagte die Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Annetta Juckel. Es sei eine „Frechheit“, dass Wagner keine nachvollziehbaren Gründe nenne. SPD-Fraktionschef Alexander Sempf prangerte einen Versuch an, „mit der willkürlichen Kündigung einen Träger loszuwerden oder zumindest massiv unter Druck zu setzen“. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Felix Recke-Friedrich sprach von einer Kündigung „in Wildwest-Manier“. Alle drei Fraktionen beklagten einen „großen Vertrauensverlust“ unter freien Trägern der Jugendarbeit gegenüber dem Bezirksamt.

Sogar die Grünen, die mit der CDU eine Zählgemeinschaft in der BVV bilden, zeigten sich „sehr irritiert über das Vorgehen“ des Stadtrats. Fraktionschef Sebastian Weise sagte: „Das ist nicht die Art und Weise, wie man mit den freien Trägern und dem Jugendhilfeausschuss umgeht.“

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Simon Hertel fand dagegen, durch den Besuch im Jugendclub habe der Stadtrat „Wogen geglättet“ und einen „Schritt in die richtige Richtung gemacht“. Wagner selbst hielt sich in der BVV zurück und sprach nur kurz von einem „unglücklichen Lauf“ der Dinge.

Ein Missbilligungsantrag gegen ihn scheiterte an der schwarz-grünen Mehrheit und Gegenstimmen der AfD. Mehrheitlich angenommen wurde aber ein Antrag, der den Jugendstadtrat auffordert, die „Rechte des Jugendhilfeausschusses zu respektieren“.

  • Als Video können Sie die Debatte auf YouTube sehen, wo die BVV-Sitzung per Livestream übertragen wurde.