Kiezkamera

Veröffentlicht am 07.05.2021 von Cay Dobberke

Blau mit gelben Sternen ist die neueste BücherboXX lackiert, darüber hängen Fahnen von EU-Mitgliedsländern. Denn diese ausgediente Telefonzelle, die dem kostenfreien Tausch von Büchern dient, hat der BücherboXX-Erfinder Konrad Kutt (Bildmitte) der Europäischen Union gewidmet und im Garten der Europäischen Akademie Berlin an der Bismarckallee 46/48 in Grunewald aufstellen lassen.

Die Eröffnung mit der Leiterin des Slowenischen Kulturzentrums Berlin, Saša Šavel Burkart (links), und Akademie-Direktor Christian Johann wurde im Rahmen der Berliner Europawoche gefeiert.

Diese ist aber nicht der einzige Anlass. Die Senatsverwaltung für Kultur und Europa hat die „Nachhaltige BücherboXX“ wegen der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft gefördert. Und Slowenien beteiligt sich, weil es die Ratspräsidentschaft im kommenden Juli übernimmt. Dann soll die verwandelte Telefonzelle vor die Botschaft des Landes am Hausvogteiplatz in Mitte umziehen – möglicherweise nach einer Zwischenstation vor dem Auswärtigen Amt.

Mit ihrer eckigen Spitze entspricht die früher einmal gelbe Telefonzelle nicht den einstigen Berliner Modellen, die längst aus dem Stadtbild verschwunden sind. Sie stammt aus dem Jahr 1986 und stand in einer ländlichen Gegend. Die Aufbereitung zur BücherboXX mit dem Einbau von Holzregalen übernahm das Sägewerk Grunewald, das Jugendliche zum Tischler oder Zimmermann ausbildet. Mit einem Handwagen wurde die Box dann zur zwei Kilometer entfernten Europäischen Akademie gerollt, damit auch die ökologische Transportweise zu den Nachhaltigkeitszielen der EU passt.

Einige Themen aus der europäischen „Agenda 2030“ stehen auf Plakaten an den Fenstern (was auf unserem Foto nicht erkennbar ist). Bei der Erstausstattung mit Büchern handelt sich nicht um spezielle Werke über Europa. Die Akademie will aber noch ein paar solcher Bände aus einem aufgelösten Archiv beisteuern. Abgesehen davon gilt wie immer: Jeder kann Romane oder Sachliteratur hineinlegen und mitnehmen.

Zu den technischen Besonderheiten gehören eine abendliche Beleuchtung, die sich beim Betreten dank Bewegungssensoren verstärkt, Ladebuchsen für Smartphone sowie eine kleine „Akustik-Box“, die Texte und Musik abspielen kann. Für die klimaneutrale Stromversorgung wurden Solarmodule in der Form eines aufgeklappten Buches auf das Dach montiert. Der Garten der Akademie ist rund um die Uhr zugänglich.

Im Ausland gibt es bereits ähnliche Standorte mit Europa-Bezug. Diese stellt ein Video auf YouTube vor. Insgesamt existieren mehr als 20 BücherboXXen. Hinzu kommen viele „Bücherzellen“, die Bürgerinitiativen oder andere Gruppen nach dem gleichen Prinzip geschaffen haben – eine Übersicht für Charlottenburg-Wilmersdorf gibt es hier. Konrad Kutt hatte sein Projekt vor elf Jahren mit seinem Institut für Nachhaltigkeit in Bildung, Arbeit und Kultur ins Leben gerufen. 2019 wurde er mit der Bürgermedaille des Bezirks ausgezeichnet, wir haben ihn damals vorgestellt. Den Bericht können Sie noch im Tagesspiegel-Archiv lesen.

  • Foto: Cay Dobberke
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