Kiezkamera

Veröffentlicht am 22.10.2021 von Cay Dobberke

Kiosk wird zum Kieztreff. Das alte Holzhäuschen auf dem Betty-Hirsch-Platz am Roseneck ist alles andere als eine normale Imbissbude. Neben Kaffee und Sandwiches gibt es vorgekochte Speisen, die in Weckgläsern zum Mitnehmen und Selbsterwärmen angeboten werden, und sogar „Frozen Joghurt für Hunde“. Eine der Wände dient als Schwarzes Brett und weist auf Aktionen in dem Schmargendorfer Kiez hin. Der Kiosk ist nämlich die neue Anlaufstelle der Nachbarschaftsinitiative „WirsindBerliner“.

Nach fünfjährigem Leerstand kaufte diese das marode kleine Bauwerk, das schon zum Abriss freigegeben war, und modernisierte es im vergangenen Sommer bis zur Eröffnung im September. Das Grundstück gehört dem Bezirksamt und wurde an die Initiative verpachtet. Diese will bald zum gemeinnützigen Verein werden, die Arbeit an der Satzung dauert aber noch an. Unser Foto zeigt die Vorsitzende Beate Haase und Leonardo di Francesco.

Im hinteren Teil ist der Kiosk ein Material- und Werkzeuglager. Denn die Initiative pflegt und verschönert den Betty-Hirsch-Platz. Für den kommenden Sonnabend, den 23. Oktober, ab 13 Uhr ruft man zur nächsten Pflanzaktion auf. Jeder kann mitmachen und sollte möglichst Blumenzwiebeln mitbringen. Am Sonntag pflanzt das Grünflächenamt außerdem zwei von der Initiative gespendete Apfelbäume.

Darüber hinaus soll der Platz „bestäuberfreundlich“ gestaltet werden. Dies geschieht im Rahmen der Aktion „Mehr Bienen für Berlin – Berlin blüht auf“ der Deutschen Wildtierstiftung. Das Bezirksamt wird bei den angekündigten Pflanzungen wiederum von der Initiative unterstützt.

Die Gastronomie im Kiosk hat Beate Haase als ihren Gewerbebetrieb angemeldet – allerdings nur aus formalen Gründen. Kommerzielle Geschäfte wären nicht mit der Gemeinnützigkeit des geplanten Vereins vereinbar. Das Häuschen heißt nun „Platzhirsch“, auch wenn man bei genauerem Hinsehen feststellt, dass das Logo einen Hasen mit Geweih darstellt. Haase verdient selbst kein Geld mit dem Betrieb. Beruflich ist sie Beraterin in der Hotellerie und Gastronomie.

Zum aktiven Kern der Initiative zählen etwa zwei Dutzend Leute. Insgesamt soll es mehr als 200 Unterstützer geben. Aber warum kennt so gut wie niemand außerhalb des Rosenecks die seit rund eineinhalb Jahren bestehende Initiative? „Wir haben nicht publiziert“, sagt Beate Haase. Die veraltete Webseite wirsindberliner.de fristet ein Schattendasein. Irgendwann soll sie erneuert werden, aber es eilt offenbar nicht. Auch in sozialen Online-Netzwerken sind die engagierten Schmargendorfer wenig aktiv. So gut wie alles werde einfach „von Mund zu Mund“ besprochen, sagt Haase.

Dem Namen gemäß versteht sich „WirsindBerliner“ nicht nur als Kiezgruppe. Eine Expansion in andere Bezirke wird diskutiert. Die Ziele reichen sowieso weit über den Kiez hinaus. Nach den Worten der Vorsitzenden geht es vor allem um diverse Aspekte des „gesunden Lebens“. Dabei spiele der Klimaschutz eine Hauptrolle. Zusammen mit dem Agrarökonomen Samuel Ditters wurde soeben eine „Berliner Wundererde“ entwickelt, die besonders viel Feuchtigkeit speichert und das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) in einer hohen Konzentration bindet.

Zu den Aktivitäten gehören auch Freiluftausstellungen. Derzeit stehen Skulpturen von Volker Nikel auf dem Platz, ab dem 6. November folgt eine Fotoschau von Sebastian Kusenberg. In einem aktuellen Wettbewerb können junge Leute im Alter von 13 bis 25 Jahren außerdem „Zweck-Kunstwerke“ zeichnen. Dabei geht es um Sitzbänke und eine „Kleinstkunstbühne“. Deren Aufstellung ist für den Frühsommer 2022 geplant. Wer sich am Wettbewerb beteiligen möchte oder anderweitig den Kontakt zur Initiative sucht, kann sich per E-Mail an wirsindberliner2020@gmail.com wenden.

Eine Sängerin aus dem Kiez hat eine Art Vereinshymne aufgenommen: „Berlin ist unsere Stadt.“ Der Song erklang erstmals am Rande des Berlin-Marathons. Beate Haase findet, das Lied eigne sich auch für die Silvesterfeier am Brandenburger Tor.

  • Foto: Cay Dobberke
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