Kiezkamera
Veröffentlicht am 12.05.2023 von Cay Dobberke
„Alles so schön bunt hier“ sang einst Nina Hagen, doch die Street-Art an der Fassade des Hostels „Happy Go Lucky“ am Stuttgarter Platz ist dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf viel zu farbenfroh. In einem jahrelangen Rechtsstreit wurde der Hauseigentümer Alexander Skora zuerst vom Berliner Verwaltungsgericht dazu verurteilt, die Bemalung zu entfernen. Eine Berufung dagegen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) jetzt in letzter Instanz abgelehnt.
Der neue Bezirks-Baustadtrat Christoph Brzezinski (CDU) sieht die Einschätzung bestätigt, dass die Fassadenbemalung „gegen geltendes Denkmalschutzrecht und das baurechtliche Verunstaltungsverbot verstößt“. Zurzeit verhandele man mit Skora darüber, ob er „dem nun rechtskräftigen Urteil selbst nachkommt oder ob wir eine Ersatzvornahme festsetzen müssen“. Im zweiten Falle würde die Verwaltung einen Fachbetrieb mit der Entfernung beauftragen und die Kosten in Rechnung stellen.
Bereits vor elf Jahren hatte Skora die Fassade mit oranger Farbe anstreichen lassen. Hinzu kamen ein paar Smileys und ein Namensschild des Hostels. Damals ging das Ordnungsamt dagegen vor und gewann einen Prozess. Aber der Hotelchef gab nicht auf. 2016 ließ er die Fassade vom irischen Künstler Dom Browne neu besprühen und bemalen. Anschließend berief sich Skora auf die im Grundgesetz verankerte Kunstfreiheit.
Das nächste Urteil des Verwaltungsgerichts folgte im Jahr 2020 (wir berichteten). Dessen Argumenten ist das OVG unverändert gefolgt. Es ging nicht mehr um die ursprüngliche Frage, ob die Fassadenbemalung eine unzulässige Werbung darstellt. Ausschlaggebend war, dass ein anderes Haus an der Ecke zwischen dem Stuttgarter Platz und der Windscheidstraße unter Denkmalschutz steht.
Dieser Altbau könne kaum betrachtet werden, ohne dass der Blick auf das „schreiend“ bunte Hostel falle, stand im Urteil des Verwaltungsgerichts.
In typischem Juristendeutsch wurde ausgeführt, es lägen „Unlustgefühle hervorrufende krasse Gegensätzlichkeiten und Widersprüche im Erscheinungsbild des bebauten Gebietes“ vor, die „bei einem nicht unbeträchtlichen, in durchschnittlichem Maße für gestalterische Eindrücke aufgeschlossenen Teil der Betrachter anhaltenden Protest auslösen würden“.
Die Verwertungsrechte am Wandgemälde von Dom Browne hat der US-Werbeunternehmer Alan Wolan erworben. Dies ändert wohl nichts an der Rechtskraft des Urteils. Dessen Umsetzung könnte sich aber aus einem anderen Grund verzögern. Skoras Rechtsanwalt weist in einem Schreiben an das Bezirksamt auf Bauarbeiten am Nachbargebäude hin. Ein Gerüst werde dort bis mindestens bis Ende August, wahrscheinlicher aber bis zum Jahresende stehen. In dieser Zeit könne Skora kein eigenes Gerüst an der Hostelfassade aufstellen.
Für Mitte Mai schlägt der Anwalt ein Gespräch zwischen Skora, Baustadtrat Brzezinski und Ordnungsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) vor. Alan Wolan könne aus Los Angeles per Video zugeschaltet werden.
- Foto: Cay Dobberke
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