Kiezkamera

Veröffentlicht am 12.04.2024 von Cay Dobberke

Hostel verliert die Street-Art-Fassade. Am Stuttgarter Platz in Charlottenburg tragen Bauarbeiter seit dieser Woche den Putz und damit die bunte Wandkunst am Hostel „Happy Go Lucky“ ab. Man kann dies wegen der blickdichten Plane am Gerüst zwar nicht sehen, aber die Presslufthämmer hören. Und der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Christoph Brzezinski (CDU) bestätigt, dass die vom Bezirksamt angeordnete Zwangsvollstreckung läuft.

So sah die Fassade früher aus:

Noch in letzter Minute versuchte Hostel-Eigentümer Alexander Skora, die Street-Art zu retten. Sein Anwalt beantragte beim Landgericht eine einstweilige Verfügung. Mit Fotos wollte er belegen, dass „allenfalls ganz begrenzte Bereiche des Putzes locker sind“. Das Amt versuche, Skoras „Vermögen zu schädigen“, indem es unnötige Mehrkosten produziere. Ob das Gericht schon über den Eilantrag entschieden hat, blieb bis heute unklar. Für die Erhaltung der Wandkunst ist es aber schon zu spät.

Skora rief auch die Polizei, weil Bauarbeiter keine Helme trugen. Aber die Beamten weigerten sich, eine Anzeige aufzunehmen. Umgekehrt hat das Bezirksamt eine Strafanzeige gestellt. Denn laut Stadtrat Brzezinski wurde ein Stromgenerator vor dem Hostel am Montag „mutwillig beschädigt“.

Ursprünglich sollte die Fassade weiß oder hellgrau übermalt werden. So stand es in einem Ultimatum, dass die Verwaltung dem Hostel im vorigen Jahr stellte. Nach dem Ablauf der Frist wurde ein Malerbetrieb mit der sogenannten Ersatzvornahme auf Skoras Kosten beauftragt. Ab November verdeckten Gerüste und Planen die Street-Art.

Dann geschah lange scheinbar nichts. Laut Stadtrat Brzezinski lag dies nicht am Winterwetter. Man habe ein Gutachten anfertigen lassen, das den „schlechten Zustand des Putzes“ zeige. Deshalb „muss die Schicht abgeschlagen werden“.

Damit sei die Ersatzvornahme wohl beendet. Um die Fassade neu zu verputzen, müsse Skora selbst eine Malerfirma beauftragen, glaubt Brzezinski. Dazu gebe es noch verschiedene Meinungen innerhalb des Amts.

Der Konflikt begann vor zwölf Jahren. Damals ließ Skora die Fassade zuerst Orange anstreichen. Hinzu kamen ein paar Smileys und ein Schriftzug mit dem Hostelnamen. Das Ordnungsamt forderte die Beseitigung der „unzulässigen Werbung“ und gewann einen Rechtsstreit. Der Hostel-Chef gab nicht auf. In seinem Auftrag verzierte der irische Künstler Dom Browne die Fassade. Seitdem argumentiert Skora, es handele sich um ein Kunstwerk.

Eine inhaltliche Wende folgte im Jahr 2020. Überraschend urteilte das Berliner Verwaltungsgericht nicht über die Frage der Werbung, sondern erklärte die „schreiend bunte“ Street-Art zur „Verunstaltung des Ortsbildes“. Sie beeinträchtige besonders den Blick auf ein nahes denkmalgeschütztes Haus am Stuttgarter Platz / Ecke Windscheidstraße. Skoras Berufungsantrag lehnte das Oberverwaltungsgericht ab. Auch das Bezirksamt übernahm die im Urteil genannten Gründe.

Die Kosten einer zwangsweisen Übermalung schätzte die Verwaltung zunächst auf etwas mehr als 38.000 Euro. Doch das Abtragen des Putzes dürfte teurer werden. Außerdem steht das Baugerüst nun schon einige Monate länger als geplant. Welche Summe der Bezirk dem Hostel in Rechnung stellt, ist noch unklar. Gut möglich scheint, dass sich darum ein weiterer Rechtsstreit drehen wird.

  • Fotos: Cay Dobberke
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