Namen & Neues
Warum wurde dem Ratskeller Charlottenburg gekündigt? Die BVV-Fraktionen nehmen Stellung
Veröffentlicht am 26.10.2018 von Cay Dobberke
Um den Ratskeller im Rathaus Charlottenburg geht es im „Thema des Monats“ auf der Webseite des Bezirks. Alle Fraktionen der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf äußern sich dazu. Wie berichtet, hat das Bezirksamt den Vertrag mit der langjährigen Wirtin zum Jahreswechsel 2018/2019 gekündigt. Vieles deutet darauf hin, dass dies an den Treffen von AfD-Politikern in dem Restaurant liegt und Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) eine treibende Kraft bei der Kündigung war.
Trotzdem widersprechen die SPD, die CDU und die Grünen der plakativen Überschrift auf der eigenen Webseite: „Kündigungsstreit wegen Vermietung von Räumen an die AfD. Ratskeller Charlottenburg vor dem Aus?“. Wir fassen die Beiträge hier zusammen.
Für die SPD betont die Fraktionsvorsitzende Constanze Röder, der zuständige Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) habe im August in der BVV „öffentlich verneint“, dass es um die AfD-Treffen geht. Vielmehr habe das Bezirksamt seine „Überlegungen für eine neue Konzeption“ und geplante Umbaumaßnahmen vorgelegt. Die SPD erwarte, dass ein detailliertes Konzept „zügig in den zuständigen BVV-Ausschüssen vorgelegt wird“.
Auch CDU-Fraktionschefin Susanne Klose findet, dass die Überschrift der Diskussion „nicht zutrifft“. Der Vertrag sei „fristgerecht vom Bezirksamt gekündigt worden“. Die AfD protestiere dagegen, um „in eigenem Interesse ein Politikum zu konstruieren“. Für eine neue Ausschreibung gebe es gute Gründe. Die Personalkantine des Rathauses solle in den Ratskeller integriert werden, während „die bisherigen Räume der Kantine dringend für die wachsende Verwaltung benötigt werden“. Das künftige Restaurant könne sich zum „kulturellen Ort entwickeln“ und außerdem mehr Bio-Lebensmittel anbieten.
Christoph Wapler (Grüne) bestreitet ebenfalls politische Motive. Der Bezirk reagiere auf die „Platznot“ im Rathaus, aber auch „auf das von vielen Beschäftigten als mager bewertete Angebot der Rathauskantine, die zum Ratskeller gehört“. Künftig solle es „mittags ein attraktives Angebot für die Mitarbeiter*innen und Besucher*innen“ geben und abends ein „attraktives Restaurant, welches nicht nur Ewiggestrige anzieht, wie es das Ambiente des Ratskellers derzeit anscheinend macht“. Kulinarisch wolle man einen „bestimmen Anteil an regionalen und fairen Produkten“ vorschreiben.
Felix Recke und Maximilian Rexrodt (FDP) hatten in der BVV ausnahmsweise mit der AfD gestimmt, nämlich für deren Antrag, die Kündigung des Ratskellers zurückzunehmen. Der Vorstoß scheiterte an der rot-rot-grünen Zählgemeinschaft. Die FDP-Politiker schreiben, einerseits gelte für den Bezirk der juristische Grundsatz, „dass man sich seine Vertragspartner frei aussuchen darf“. Andererseits gebe es den Grundsatz von „Treu und Glauben“. Ein Vermieter müsse sich „anständig verhalten“ und nicht bewusst den Vertragspartner „in die Pfanne hauen“, wie es hier geschehen sei. Einer in der Kommunal- und Landespolitik vertretenden Partei müsse man zugestehen, „die Räume des Ratskellers (verfassungstreu) zu nutzen“. Der Ratskeller habe sich in einem Brief ans Bezirksamt inhaltlich von der AfD distanziert, diese aber weiterhin bewirtet – „so wie alle Parteien der BVV“. Trotzdem hätten die SPD, die Grünen und die Linken „den Umstand genutzt, um einen wirtschaftlichen Betrieb politisch motiviert zu ruinieren“. Die AfD könne „nun erst recht ihre ,Opferrolle‘ einnehmen“.
Michael Seyfert (AfD) erinnert daran, dass Baustadtrat Schruoffeneger dem Tagesspiegel im Mai gesagt hatte: „Wir bedauern sehr, dass sich der Pächter nicht auf unsere dringlichen Bitten einlässt, sich politisch mehr zurückzuhalten.“ SPD, CDU und Grüne agierten „scheinheilig“. Linksextreme hätten mehrfach gegen die AfD im Ratskeller protestiert und Scheiben eingeworfen. Einen neuen Pächter werde das Bezirksamt nicht finden. „Der müsste nämlich sehr viel Geld in die Hand nehmen, um das Traditionsrestaurant zu modernisieren.“
Kämpferisch zeigt sich Niklas Schenker (Linke). Seit Jahren sei Charlottenburg-Wilmersdorf ein Treffpunkt der sogenannten Neuen Rechten. Schon in den 1990er Jahren habe die rechtsextreme Partei „Die Republikaner“ den Ratskeller angemietet. Die Neuausschreibung sei nötig, damit die BVV ein „Konzept zur Demokratieförderung“ verlangen könne. „Kein Fußbreit der AfD und ihren Freunden!“, fordert Schenker. „Gut, wenn Infrastrukturen der neuen Rechten verschwinden!“