Namen & Neues

Pro und Contra: Das sagen Bezirkspolitiker zur Enteignung privater Wohnungsunternehmen

Veröffentlicht am 31.05.2019 von Cay Dobberke

Seit April sammelt die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen Unterschriften für ihr gleichnamiges Berliner Volksbegehren. Wohnungen großer Unternehmen sollen von kommunalen Gesellschaften übernommen werden, um die Mietpreise stabil zu halten. Ob das eine gute Idee ist, diskutieren alle Charlottenburg-Wilmersdorfer BVV-Fraktionen im Thema des Monats auf der Webseite des Bezirks. Wir fassen die Beiträge hier zusammen.

Wolfgang Tillinger (SPD) findet die Forderung „gefühlt“ richtig, weist aber auf viele offene Fragen hin. Die Initiatoren des Volksbegehrens weckten Hoffnungen, die schwer erfüllbar seien. Beispielsweise wisse man bisher nichts über die „Höhe notwendiger Entschädigungsleistungen“. Der Landeshaushalt könne in eine „ernsthafte Schieflage“ geraten. „Selbst wenn der von der Initiative genannte Wert zwischen 7 und 14 Milliarden Euro zutreffen sollte, würde der Schuldenstand Berlins über den Höchststand von 2011 anwachsen.“ Außerdem müssten Enteignungen „wahrscheinlich in langwierigen und mehrinstanzlichen Verfahren geprüft werden“. Die SPD-Fraktion setze auf andere Lösungen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – darunter Neubauten, den Ankauf bundeseigener Wohnungen sowie eine „Deckelung“ der Mietpreise, „indem wir zu einem Stichtag die Mieten einfrieren, das gilt für bestehende und neue Mietverträge“.

Christoph Brzezinski (CDU) spricht sich gegen Enteignungen aus, trotz „aller gerade auch seitens der CDU-Fraktion immer wieder geübten Kritik am Geschäftsgebaren der Deutsche Wohnen“. Doch zu den „Freiheitsgarantien des Grundgesetzes“ gehöre das individuelle Eigentum. Enteignungen seien „nur in absoluten Ausnahmefällen“ möglich. Eine Voraussetzung sei, dass der Staat „alle ihm möglichen weniger eingriffsintensiven Maßnahmen ergriffen“ habe, um ein Problem zu lösen. „Das ist hier aber überhaupt nicht der Fall!“ Vielmehr sollten die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung und „die linke Nicht-Bausenatorin“ Katrin Lompscher „endlich mit ernsthafter Politik“ die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannen.

Jenny Wieland (Grüne) will differenzieren: „Es gilt genau hinzusehen, wo der Rückerwerb von Wohnraum gezielt zur Senkung und Stabilisierung des Mietspiegels, also mit maximaler Wirkung, eingesetzt werden kann.“ Eine Vergesellschaftung koste viele Milliarden Euro und „darf nicht dazu führen, dass Berlin an anderer Stelle handlungsunfähig wird“. Es sei „ein erheblicher Fehler“ der früheren rot-roten Landesregierung gewesen, große Bestände der landeseigenen Wohnungen zu verkaufen. Inzwischen könne sich „selbst die Mittelschicht das Leben in unserem Bezirk kaum leisten“. Mehr Neubauten seien keine Lösung, weil Investoren „am Bedarf vorbei“ fast nur noch Eigentumswohnungen errichteten.

Johannes Heyne (FDP) kritisiert Enteignungsideen, weil „die Verschuldung des Landes exorbitant ansteigen“ und „lediglich ein Eigentumswechsel herbeigeführt“ würde. Es entstehe keine neue Wohnung. „Wenn der Senat Wohnungen zurückkauft, die Mieten deckelt oder gar Firmen enteignet, unterstützt er viele Menschen, die auf Hilfe gar nicht angewiesen sind.“ Währenddessen würden Investoren, die Neubauten planen, „durch die altsozialistischen Ideen des Senats abgeschreckt“. Die FDP-Fraktion setze sich weiterhin „für Wohnungsbau und das Erschließen von Potenzialflächen“ ein.

Hans-Dieter Asbeck (AfD) wirft den Linken und der SPD in Berlin vor:
„Die gleichen Leute, die heute Enteignung skandieren, haben dieselben, identischen Wohnungen der GSW 2003/04 im Paket (65.000 Wohnungen) unbekümmert an Hedgefonds verscherbelt.“ Diese Wohnungen seien später von der Deutschen Wohnen übernommen worden. Wie so oft bringt die AfD ihr Lieblingsthema – die Kritik an der Flüchtlingspolitik – in die Debatte ein. Nun wolle der Staat mit Neubauten „die wachsende Angebotslücke, die durch unkontrollierte Migration verschärft wird, schließen“, schreibt Asbeck. Um Bestandsmieter zu schützen, spricht er sich für Milieuschutz und Mietendeckelungen aus. Enteignungen lehne seine Fraktion ab.

Linkfraktionschef Niklas Schenker befürwortet Enteignungen – ebenso wie die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, die der Initiative rund 10.000 von der Partei gesammelte Unterschriften übergeben hat. Von 2012 bis 2017 seien die Mieten in Berlin „um 100 Prozent gestiegen“, kritisiert Schenker. „Schuld ist die Bundespolitik mit ihrer wirkungslosen Mietpreisbremse.“ Die großen Immobilienkonzerne „bauen am Bedarf vorbei, erhöhen die Miete, verdrängen Mieter*innen und spekulieren mit Wohnraum“. Das Volksbegehren bringe „die Wut und Entschlossenheit der Mieter*innen zum Ausdruck, die Frage ,Wem gehört die Stadt?‘ offensiv zu beantworten“. Berlin dürfe „keine Stadt nur für das große Geld und nur für Reiche werden“.