Namen & Neues
Zugeparkt und unfertig - die Pop-up-Radspur in der Kantstraße verdient ihren Namen kaum
Veröffentlicht am 22.05.2020 von Cay Dobberke

Foto: Cay Dobberke
Radlern nutzt die für sie gedachte temporäre Fahrspur in der Kantstraße noch immer wenig. Als wir zuletzt am Mittwoch nachschauten, reichte der Pop-up-Radweg lediglich bis zur Uhlandstraße – und das auch nur in östlicher Richtung. Doch damit nicht genug. Auf dem größten Teil des bislang markierten Streifens parken Autos. Nahe der Krummen Straße hätten Autofahrer eigenmächtig „die Parkplatzkapazitäten verdoppelt“, indem sie ihre Wagen in zweiter Spur auf dem Radweg abstellen, schreibt unser Leser Niels Berkholz zu einem Foto, das er uns am heutigen Freitag sandte.
Nahe dem Savignyplatz verläuft die neue Radspur dagegen rechts am Fahrbahnrand, was die Sache jedoch nicht besser macht, weil Autobesitzer die bisherige Parkspur an gleicher Stelle weiterhin als solche nutzen. Das dürfen sie sogar. Denn die Markierung mit gelben Streifen und einem Radwegsymbol auf dem Asphalt reicht nicht aus, um der Radspur formal Geltung zu verschaffen. Dafür wären auch neue Schilder nötig. Tatsächlich wurden noch nicht einmal die alten Schilder entfernt, die das Parken gestatten. Ein Foto davon haben wir bereits am Dienstag getwittert.
Leider benötige man verschiedene Fachbetriebe für die Markierungen und die Beschilderung, sagt Bau- und Verkehrsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Die zweite Firma soll erst loslegen, wenn die erste fertig ist. Die gesamte Radspur werde wohl erst gegen Ende der kommenden Woche vollständig sein, glaubt er inzwischen – was angesichts der Befristung der neuen Verkehrsführung bis zum 31. Mai absurd wirkt. Der Stadtrat hat die Senatsverkehrsverwaltung gebeten, ihre amtliche Anordnung der Radspur über den Mai hinaus zu verlängern. Die Antwort steht aber noch aus. Wie lange es die temporäre Spur gibt, hängt von Berlins Maßnahmen gegen das Coronavirus ab. Das Ziel lautet, den Radverkehr zu fördern, weil die Abstandsregeln in Bussen und Bahnen nicht immer eingehalten werden können.
Um die Arbeiten zu beschleunigen, werden die Markierungen nicht mehr wie in den ersten Abschnitten geklebt, sondern aufgesprüht. Den Vergleich mit Friedrichshain-Kreuzberg, wo Pop-up-Radspuren deutlich schneller angelegt wurden, hält Schruoffeneger für unfair. Das dortige Bezirksamt habe einfachere Routen mit weniger Einmündungen anderer Straßen gewählt. In der Kantstraße habe auch regnerisches Wetter die Radwegmarkierung verzögert. Noch dazu hätten oft falsch geparkte Autos im Weg gestanden.
Für die BVV am 28. Mai hat der Bezirksverordnete Alexander Kaas Elias (Grüne) eine Anfrage gestellt. Das Bezirksamt soll erklären, wie es gegen Falschparker vorgeht und wie „die Regelungen so umgesetzt werden, dass das Parken auf dem Radstreifen verboten ist“. Darüber hinaus greifen die Grünen den Vorschlag des Fahrgastverbands Igeb und des Vereins Changing Cities auf, motorisierten Individualverkehr künftig ganz „aus der Kantstraße rauszuhalten“. Die FDP-Fraktion fordert dagegen, den temporären Radweg nicht zeitlich zu verlängern und macht eigene Vorschläge für eine Umgestaltung der Straße.
Auch in der Kaiser-Friedrich-Straße sollte es nach Ansicht von Fahrrad-Aktivisten eine Pop-up-Radspur geben. Dafür demonstrieren das Netzwerk fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf, Changing Cities und der ADFC Berlin am Sonnabend, 23. Mai, von 14 bis 14.30 mit „menschlichen Pollern“ an der Kaiser-Friedrich-Straße 38 zwischen der Schiller- und der Pestalozzistraße.
Text: Cay Dobberke
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