Namen & Neues
Kritik am Karstadt-Deal
Veröffentlicht am 14.08.2020 von Cay Dobberke
Der Berliner Senat will dem Karstadt-Mutterkonzern Signa nun doch Hochhäuser am Ku’damm erlauben – als Gegenleistung für die Erhaltung des Kaufhauses an der Wilmersdorfer Straße (wir berichteten). Aber viele Bezirkspolitiker sprechen sich gegen die verkündete Absichtserklärung aus. Drei geplante Hochhäuser auf dem Gelände von Karstadt am Kurfürstendamm hatte das Baukollegium Berlin unter der Leitung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im Dezember 2018 abgelehnt.
Nun behauptet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, beim Neubauprojekt am Boulevard gehe es um „ein bis zwei Hochpunkte“, die „nicht zwingend Hochhäuser“ sein müssten. Das klingt jedoch unglaubwürdig: Wenn ein Gebäude die Berliner Traufhöhe von 22 Meter überschreitet – die Höhe, bis zu der normale Feuerwehrleitern reichen – gilt es amtlich bereits als Hochhaus.
Wir haben uns in der BVV umgehört. Scharfe Kritik übt der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Niklas Schenker. „Wir sind klar gegen weitere Hochhäuser am Ku’damm.“ Zwei neue Türme seien „völlig unvorstellbar“. Signa plane neben Einzelhandel auch Büros und ein Hotel, aber „das ist nicht, was wir brauchen“. Nötig seien Flächen für Kultur und Bibliotheken. Außerdem müssten Angestellte von Karstadt am Kurfürstendamm um ihre Jobs fürchten, wenn das Kaufhaus für eine Neugestaltung vorübergehend geschlossen oder abgerissen werde. Es sei ein „sehr teuer erkaufter Deal“, die Rettung von Karstadt an der Wilmersdorfer Straße „für lächerliche drei Jahre“ mit Hochhäusern zu verknüpfen, die „100 Jahre lang stehen.“
Der SPD-Baupolitiker Wolfgang Tillinger freut sich über „das Ergebnis des Widerstandes der Belegschaft“ gegen die Schließung der Filiale in der Wilmersdorfer Straße und ist stolz auf den „Beitrag, den unser Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann dabei leisten konnte“. Dass der Standort zunächst nur für drei Jahre gesichert wird, sehe die SPD-Fraktion allerdings „sehr kritisch“. Beim Projekt am Ku’damm hält es Tillinger „nicht für entschieden“, dass der Senat das Verfahren an sich zieht – während Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) und dessen BVV-Fraktion damit rechnen. Signa müsse seine Pläne überarbeiten und auch allen Bürgern im Bezirk „ergebnisoffen zur Diskussion stellen“, sagt Tillinger.
Für Jenny Wieland (Grüne) zeigt der Karstadt-Rettungsdeal, dass sich Signa „in erster Linie als Immobilienentwickler sieht“ und offenbar nur Interesse an den Grundstücken in bester Innenstadt-Lage habe. Mit angekündigten Filialschließungen habe Signa „sein Erpressungspotenzial gegenüber dem Senat ausgespielt“. Bei der geplanten Überbauung des ganzen Straßenblocks zwischen Ku’damm, Ranke- und Augsburger Straße, der einen gründerzeitlichen Charakter mit einem Baudenkmal an der Rankestraße aufweise, dürften „keine städtebaulichen Fehler begangen werden“. Unattraktive Architektur und fehlende Aufenthaltsqualität würden potenzielle Kunden „eher abstoßen“ und eine „Verkarstung des zentralen Innenstadtbereichs der City West“ befördern.
Für die CDU-Fraktion begrüßt Christoph Brzezinski eine „Nachverdichtung“ grundsätzlich. Die städtebauliche Entwicklung bei Karstadt am Ku’damm werde „insbesondere von der Senatsbaudirektorin sowie von der ehemaligen Stadtentwicklungssenatorin seit Jahren vollständig blockiert“. Und: „Skandalös finden wir nicht, dass es eine Verknüpfung zwischen dem Weiterbetrieb der Karstadt-Häuser und der Bauvorhaben der Signa-Holding gibt, sondern vielmehr, dass es in Berlin offenbar nur noch auf solchen Wegen möglich ist, größere Bauprojekte voranzubringen.“ Baupolitik werde „schon lange nicht mehr von der Stadtentwicklungsverwaltung gemacht“. Investoren seien auf Deals mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) angewiesen.
FDP-Fraktionschef Felix Recke spricht sich ebenfalls für Neubauten am Ku’damm aus und kritisiert die Ablehnung durch Vertreter anderer Parteien. „Genau wegen dieser Politik sind das Land und der Bezirk daran Schuld, dass sich der Zustand unserer Einkaufsstraßen nun noch weiter verschlechtert.“ Auch in der Fußgängerzone Wilmersdorfer Straße müsse das Bezirksamt „endlich die Aufenthaltsqualität verbessern“.