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Anwohner protestieren gegen Marktschließung - Stadtrat verteidigt den Beschluss
Veröffentlicht am 15.01.2021 von Cay Dobberke
Der Wochenmarkt an der Suarezstraße ist für viele Anwohner eine beliebte und wichtige Institution, obwohl dort seit einiger Zeit nur noch zwei Anbieter verkaufen. Nach unserem Bericht über die geplante Schließung meldeten sich empörte Anwohner bei uns. Außerdem startete der Obst- und Gemüsehändler Jury-Dietmar Iwanow eine Unterschriftensammlung für seinen Stand und legte beim Bezirksamt formell Widerspruch ein. Die BVV-Fraktion der FDP will am 26. Januar im Wirtschaftsausschuss über „kreative Lösungen für die Zukunft unserer Wochenmärkte“ diskutieren.
Der letzte Markttag werde der 28. Januar sein, hatte Ordnungs- und Wirtschaftsstadtrat Arne Herz (CDU) angekündigt und dafür „wirtschaftliche Gründe“ genannt. Den beiden Händlern bot er Ersatzstandorte auf den Wochenmärkten am Bundesplatz, in der Charlottenbrunner Straße oder am Richard-Wagner-Platz an, die ebenfalls donnerstags stattfinden.
Seit 25 Jahren baue er seinen 20 Meter langen Stand an der Suarezstraße auf, sagte uns Iwanow. Der Umsatz sei „in Ordnung“. Älteren Leuten habe er seine Lebensmittel manchmal auch nach Hause gebracht. „Ich bin traurig und wäre sehr gerne geblieben.“ Das Bezirksamt wisse offenbar nicht zu schätzen, dass „wir den Markt in schlechten Zeiten am Leben gehalten haben“. Am zweiten Stand handelt ein anderer langjähriger Anbieter mit Eiern. Am gestrigen Donnerstag sandte eine Leserin uns Fotos, die Sie hier und hier sehen können.
Zwei Tage vor Heiligabend erfuhr Iwanow von der Marktleiterin, dass bald Schluss sein soll. Stadtrat Herz „hätte ja auch mal hinkommen können“, findet er. Auf den als Alternative vorgeschlagenen Märkten dürften „die Konkurrenten nicht erfreut sein“, wenn er mit seinem großen Stand umziehe. Schon bisher ist der 51-jährige Händler nicht allein an der Suarezstraße präsent, sondern an jeweils anderen Wochentagen auch am Karl-August-Platz und in der Nestorstraße.
Eine Seniorin schrieb uns, der Weg zu anderen Standorten sei ihr zu lang. Weitere Anwohner bezweifeln, dass zwei Stände hohe Kosten für den Bezirk verursachen. FDP-Fraktionschef Felix Recke erinnerte an einen Antrag, in dem die FDP „mehr Wochenmärkte, auch für Landwirte aus der Metropolregion“ verlangt hatte. Die BVV stimmte im April 2020 dafür. Trotzdem habe das Bezirksamt die Forderungen „nicht umgesetzt“, kritisiert Recke. Hinsichtlich der Suarezstraße habe die FDP-Fraktion der Schließung allerdings zugestimmt, weil dies bei „unrentablen“ Märkten „marktwirtschaftlich richtig“ sei.
Andererseits zeigt sich laut Recke nun, „was vielen Märkten droht“, falls es der Wirtschaftsförderung des Bezirks nicht gelinge, neue Potenziale zu aktivieren. „Dazu zählen für mich vor allem die stärkere Ansprache und Einbindung von Gewerbetreibenden aus der Nachbarschaft eines Marktes, die Ausdehnung der Marktzeiten in die Abendstunden und eine Kooperation mit Landwirten aus Brandenburg“.
Stadtrat Herz sandte uns eine ausführliche Stellungnahme. Der Markt an der Suarezstraße sei „schon länger nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben“. Als Veranstalter finanziere der Bezirk „Marktmeister“, die „insbesondere vor und zu Beginn“ der Verkaufszeit im Einsatz seien.
Teuer sei auch der Winterdienst. Ein Vertreter der Bürgerinitiative Stuttgarter Platz habe ihm vorgehalten, dass „in milden Wintern“ dafür keine Kosten entstehen könnten, schreibt Herz. Diese These sei jedoch „reichlich lebensfremd“. Denn „wie fast jeder Grundbesitzer“ habe das Bezirksamt ein Fachunternehmen mit der Eis- und Schneebeseitigung beauftragt und zahle pro Saison – unabhängig vom Wetter – eine Pauschale.
Als weiteren Kostenfaktor hatte der Wirtschaftsstadtrat in der vorigen Woche das Abschleppen falsch geparkter Autos genannt. Dabei gehe es „natürlich nicht um das Umsetzen während des Marktes“, stellt er nun klar. Vielmehr hätten Marktmeister in der Suarezstraße „überproportional“ viele Fahrzeuge vorab von der Verkaufsfläche entfernen lassen müssen, um den Handel überhaupt zu ermöglichen. Dies binde die Marktmeister lange an diesen Ort, „obwohl sie zeitgleich mehrere Märkte zu betreuen haben“.
Außerdem bleibe der Bezirk nach dem Einsatz von Kfz-Abschleppfirmen „nicht selten auf den Umsetzkosten sitzen“, beklagt Herz. „Der Verwaltungsaufwand im Innendienst, diese Kosten gegen die Halter geltend zu machen, ist auch nicht zu unterschätzen.“
Das Schrumpfen des Wochenmarkts in den vorigen Jahren zeigt für Stadtrat Herz, dass sich der Standort nicht für alle Händler gelohnt habe. Gleichzeitig „verstehe ich die Betroffenheit der Anwohner“, wenn eine „gewohnte und geschätzte Versorgungsmöglichkeit wegbricht“. Auch die Sorgen der „weniger mobilen oder älteren Anwohner“ seien ihm keineswegs egal. Dennoch müsse er „gelegentlich auch nicht angenehme Entscheidungen“ fällen.