Namen & Neues

Neuer Name für die Wissmannstraße gesucht

Veröffentlicht am 12.03.2021 von Cay Dobberke

Die Grunewalder Wissmannstraße soll nicht mehr an Hermann von Wissmann (1853 bis 1905) erinnern, der als Befehlshaber deutscher Kolonialtruppen gewaltsam gegen die Küstenbevölkerung in Ostafrika vorgegangen war. Einen neuen Straßennamen können Bürgerinnen und Bürger bis zum 9. April per E-Mail an wissmannstrasse@charlottenburg-wilmersdorf.de vorschlagen.

Gesucht wird vorzugsweise eine Namensgeberin, die „in Charlottenburg-Wilmersdorf gelebt und/oder gewirkt, sich um den Bezirk besonders verdient gemacht oder die Widerstand gegen die Kolonialmächte geleistet und/oder afrodeutsche Geschichte sichtbar gemacht hat“.

Die BVV-Mehrheit hat sich bereits auf Antrag der Linksfraktion für die Umbenennung ausgesprochen. Eine Jury soll aus je einem Mitglied aller sechs BVV-Fraktionen, zwei Vertreter:innen des Bündnisses Decolonize Berlin sowie drei Bürger:innen aus der Wissmannstraße gebildet werden. Anwohner können sich dafür unter der erwähnten Mailadresse bewerben. Auch BVV-Vorsteherin Annegret Hansen und Kulturstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD) werden dem Gremium angehören, aber kein Stimmrecht haben. Die Jury wählt Vorschläge aus, um sie dann der BVV zur Entscheidung zuzuleiten.

Die Bürgerbeteiligung begann soeben online mit einer Videokonferenz. Darin wurde vor allem über Wissmanns Taten in Afrika gesprochen, die ein Vertreter der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland als „Völkermord“ brandmarkte. Eine Anwohnerin regte an, die Straße nicht neu zu benennen, sondern sie mit einer zusätzlichen Infotafel umzuwidmen. Denn Hermann von Wissmann hatte einen gleichnamigen Sohn, der als Geograf arbeitete.

Auf andere Weise wurde soeben auch die Komponistin Ursula Mamlok (1923 bis 2006) als Namensgeberin ins Gespräch gebracht. Die Geschäftsführerin der Mamlok-Stiftung, Bettina Brand, sandte einen entsprechenden Aufruf auch an den Tagesspiegel. Ursula Mamlok habe in Charlottenburg gelebt, bis sie 1939 wegen ihrer jüdischen Herkunft aus dem nationalsozialistischen Deutschland fliehen musste und über Ecuador in die USA gelangte. Kurz vor ihrem Tod kehrte die inzwischen berühmt gewordene Komponistin und Musikprofessorin nach Berlin zurück.

Mehr Informationen zur geplanten Umbenennung bietet das Bezirksamt auf seiner Webseite an. Wissmanns ambivalente Persönlichkeit haben wir schon einmal hier im Newsletter vorgestellt.

Auch auf den Straßenschildern in Grunewald sind die Proteste gegen den bisherigen Namensgeber sichtbar geworden, wenn auch auf illegale Weise. Unbekannte haben den Wortteil „Wissmann“ mit blutroter Farbe besprüht (ein Foto können Sie hier bei uns sehen).