Namen & Neues
Was wird aus dem Teufelsberg? Die Debatte lebt wieder auf
Veröffentlicht am 19.11.2021 von Cay Dobberke
Für die einstige Spionagestation der Amerikaner und Briten auf dem Teufelsberg im Grunewald gab es schon viele Pläne – von einer Luxuswohnsiedlung bis hin zur esoterischen „Friedensuniversität“. Alle Projekte scheiterten. Nun kommt Bewegung in die Diskussion. Die SPD Charlottenburg-Wilmersdorf fordert neue Verhandlungen über einen Rückkauf des Ruinengeländes, während die private Eigentümergemeinschaft eigene Ideen verfolgt.
Eine Kreisdelegiertenversammlung der SPD hat einen Antrag für den Landesparteitag im Dezember gestellt. Darin werden die sozialdemokratischen Mitglieder des Berliner Senats und des Abgeordnetenhauses aufgefordert, Kontakt mit den Eigentümern aufzunehmen.
Die Initiative geht von Josef Kim aus, der dem Vorstand der SPD-Abteilung Grunewald angehört. Zum Grundstücksverkauf im Jahr 1996 sei es „unter erheblicher Beteiligung der Berliner SPD“ gekommen, schreibt er in dem Antrag. Dies „muss zwingend unsererseits wiedergutgemacht werden“.
Eine Investorengemeinschaft hatte das 4,7 Hektar große Areal für lediglich 5,2 Millionen D-Mark erworben. Davon sei sogar nur die Hälfte bezahlt worden, glaubt Hartmut Kenneweg von der Bürgerinitiative „Aktionsbündnis Teufelsberg“. Er war früher Landesvorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Laut Kenneweg sah der Vertrag vor, dass die Käufer erst nach der Verwirklichung ihres ursprünglichen Bauvorhabens die ganze Summe überweisen.
Die Rückkauf-Idee ist nicht neu. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sie schon 2014 forciert, als er noch Stadtentwicklungssenator war. Unseren damaligen Bericht können Sie noch auf tagesspiegel.de lesen. Die Eigentümer betonten aber stets, das Grundstück behalten zu wollen. Als zusätzliches Problem gilt eine hohe Grundschuld, die darauf lasten soll. Schätzungen reichen von 22 bis 35 Millionen Euro.
Im Gespräch mit dem Tagesspiegel sagte der Kölner Architekt und Miteigentümer Hartmut Gruhl, man wolle den Teufelsberg selbst neu gestalten. Beim Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf wurde ein Bauvorbescheid für Ateliers, Büros, eine Ausstellung und Gastronomie beantragt. In zwei Wochen will Gruhl nach Berlin reisen, um sich mit Landeskonservator Christoph Rauhut zu treffen.
Seit dem Herbst 2018 steht der Berg unter Denkmalschutz. Dieser gilt nicht allein für die ehemalige Spionagestation, sondern für die ganze künstliche Erhebung. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie rund 120 Meter hoch aus Häusertrümmern aufgeschüttet worden. Der nicht mehr erkennbare Rohbau einer nationalsozialistischen „Wehrtechnischen Fakultät“ ist ebenfalls ein Teil des geschützten Ensembles.
Darüber hinaus hatte der Senat die Bergspitze bereits im Jahr 2006 zum Waldgebiet erklärt, weil nichts geschah. Neubauten sind nicht mehr erlaubt.
Miteigentümer Gruhl betont, der aktuelle Vorstoß der Investoren ziele auf die „Nutzung der vorhandenen Substanz“ ab. Hinsichtlich der Strom- und Wasserversorgung gehe es um ein „autarkes Objekt“, das sich unter anderem aus Sonnenenergie und Regenwasser speise. Gruhl sieht gute Chancen dafür, dass der Bezirk und das Landesdenkmalamt dem Projekt zustimmen.
Das Hauptgebäude mit einer großen Antennenkuppel war im Frühjahr 2018 von der Bauaufsicht wegen Brandschutzmängeln gesperrt worden. Inzwischen sei das Problem gelöst, berichtet Marvin Schütte. Er hat das Areal gepachtet und ist der Sohn eines Miteigentümers. Mit Anbauten sei ein zweiter Fluchtweg entstanden, sagt Schütte. Wegen der Corona-Pandemie gibt es derzeit trotzdem keine Führungen. Interessierte können das Gelände nur eigenständig erkunden.
In der sogenannten Field Station Berlin hatten amerikanische und britische Geheimdienste den Funk- und Telefonverkehr in damaligen Ostblockstaaten abgehört. Nach dem Alliierten-Abzug aus Deutschland wirkte die Anlage wie eine Mischung aus einem Abenteuerspielplatz, einer Müllkippe und der Kulisse eines Endzeitfilms. Derzeit nutzen vor allem Künstler:innen die Ruinen.