Namen & Neues
Autotunnel an der Schlangenbader Straße könnte für immer geschlosssen bleiben
Veröffentlicht am 21.04.2023 von Cay Dobberke
Die Berliner Senatsverkehrsverwaltung hat den Tunnel der ehemaligen Stadtautobahn A104 an der Schlangenbader Straße in Schmargendorf aus Sicherheitsgründen am Donnerstag gesperrt. Eine technische Prüfung zeige Mängel beim „Entlüftungssystem im Falle eines Brandes“ und bei den Notrufanlagen, heißt es. Vieles spricht dafür, dass der Tunnel nie mehr öffnet.
Nicht betroffen sind die unter dem Spitznamen „Schlange“ bekannten Wohngebäude der mittlerweile denkmalgeschützten Autobahn-Überbauung.
Verwaltungssprecher Jan Thomsen nannte es „fraglich“, ob es sich lohnen würde, die Unterführung noch einmal freizugeben, und schätzt die Gesamtkosten einer Tunnelsanierung auf 30 Millionen Euro.
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hatte im vergangenen Dezember die Pläne für den Abriss der Autobahnbrücken am Breitenbachplatz vorgestellt – und dabei auch die mögliche Schließung des nahen Tunnels angesprochen.
Laut einer Machbarkeitsstudie gäbe es dann „mehr Potenzial für eine umweltverträgliche und klimaschonende Stadt- und Verkehrsentwicklung am Breitenbachplatz“. Bis zur Entscheidung seien aber noch „weitere Untersuchungen nötig“, darunter ein Verkehrs- und Lärmgutachten.
Angesichts der jetzigen Sperrung warnt der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD) vor einer „Katastrophe“ für die angrenzenden Kieze. „20.000 bis 25.000 Fahrzeuge pro Tag ergießen sich in die umliegenden Wohnstraßen, wenn kein weiträumiges Verkehrskonzept vorgelegt wird“, sagte er dem Tagesspiegel. „Jetzt ad hoc zu schließen, kann nur ins Chaos führen, zumal ja bekannt war, dass es gravierende Mängel gibt.“ Die fehlende Vorbereitung „grenzt an Arbeitsverweigerung“ der Senatsverwaltung.
Der Berliner Feuerwehr waren die Probleme mit den Entlüftungs- und Notrufanlagen im Herbst 2022 bei einer Übung im Tunnel aufgefallen. Daraufhin beauftragte die Verkehrsverwaltung einen Sicherheitsbeauftragten mit der Untersuchung, deren Ergebnisse nun vorliegen. Der Tunnel ist mehr als 40 Jahre alt und gehörte zur Stadtautobahn A104, die später zu einer Stadtstraße heruntergestuft wurde.
Wie läuft der Autoverkehr seit der Sperrung? Eine Anwohnerin der Sodener Straße berichtete dem Tagesspiegel von einem „völligen Chaos“ in ihrem Schmargendorfer Kiez. Andererseits beobachteten wir am Donnerstag rund um die gesperrten Aus- und Zufahrten des Tunnels am Breitenbachplatz und an der Mecklenburgischen Straße eine ganz normale Verkehrssituation.
Schmargendorfs Verbindung zur Stadtautobahn ist teilweise noch intakt. Man kann aus nordwestlicher Richtung die Ausfahrt Mecklenburgische Straße nutzen oder von dort in die City West fahren.
Doch auch dies steht zur Diskussion. Beispielsweise fordert die SPD-Fraktion Charlottenburg-Wilmersdorf einen kompletten Rückbau der früheren A104. Alles andere sei nur „Stückwerk“.
Ganz anders sieht es der Bauherr des milliardenschweren Gewerbehöfe-Quartiers Go West. Dafür laufen Bauarbeiten auf dem Gelände der ehemaligen Reemtsma-Zigarettenfabrik an der Mecklenburgischen Straße. Bei der Grundsteinlegung im vergangenen Februar appellierte Geschäftsführer Stephan Allner von der „Wohnkompanie Berlin“, die zur Gustav Zech Stiftung aus Bremen gehört, an die anwesende Handwerkskammer-Präsidentin Carola Zarth, sich mit ihm „beim Senat dafür einzusetzen, dass die Anbindung bleibt“.
Auch die CDU und die Grünen in Charlottenburg-Wilmersdorf sprechen sich dafür aus. „Bei einem vollständigen Rückbau der ehemaligen A104 bzw. einem Rückbau bis zur Mecklenburgischen Straße fürchten wir eine Verdrängung des Verkehrs in die umliegenden Wohngebiete. Das kann nicht akzeptiert werden“, steht im Entwurf der Vereinbarung beider Parteien für ihre voraussichtliche Zählgemeinschaft in der BVV. Man unterstütze nur den „schrittweisen“ Abriss der Autobahnbrücken am Breitenbachplatz.
„Das ist ausgesprochen mutlos“, erwidert Baustadtrat Schmitz-Grethlein. Aus Sicht des SPD-Politikers wird deutlich, „dass sich die CDU inhaltlich voll durchgesetzt hat und die Grünen hier lieber am Bürgermeisterposten kleben, als endlich die Chance zur Beseitigung der Relikte der autogerechten Stadt zu nutzen“.
Die bezirkliche FDP-Fraktion hält einen Abriss der gesamten früheren A104 für sinnlos, weil „ungeklärt ist, wo der Verkehr stattdessen hin soll“. Die aktuelle Tunnelsperrung zeige aber auch die „gescheiterte Verkehrspolitik“ der Landesregierung, kritisiert Fraktionschef Felix Recke-Friedrich: „Es wird so lange Infrastruktur kaputt gespart, bis gar nichts mehr geht.“