Kiezgespräch
Veröffentlicht am 27.04.2018 von Cay Dobberke
Adieu am Savignyplatz. „Im Westen geht die Sonne auf“, schrieb der Tagesspiegel im Mai 2006, als der Schriftsteller und Regisseur Jörg Aufenanger zusammen mit der Autorin, Philosophin und Soziologin Isabelle Azoulay den Kultursalon „ImWestenWasNeues“ am Savignyplatz gründete. Seitdem gab es in der „Galerie Premier Etage“ über dem Café Brel mehr als 120 Chansonabende und andere Konzerte, Literaturlesungen, politische Diskussionen, Wahlpartys und Filmvorführungen. Doch nun hat das französische Restaurant samt der Premier Etage geschlossen.
Formal besiegelt wurde dies am Donnerstag durch einen Gerichtsvollzieher. Der Restaurantbetrieb endete aber schon vor drei Monaten. Der letzte Wirt sei „plötzlich verschwunden“, sagt Aufenanger. Der Gastronom war einer von drei Betreibern, die das Café zuletzt als Untermieter des Ex-Chefs Frido Keiling übernommen hatten. Keiling bestätigte auf Nachfrage, dass er sich wegen Steuerschulden zurückgezogen hatte. Später hätten die Untermieter ohne sein Wissen drei Monate lang die Miete nicht gezahlt. Nun setzte die Hauseigentümerin die Räumung wegen „illegaler Untervermietung“ durch.
Bereits 2011 hatte Keiling die Bar „Gainsbourg“ am Savignyplatz aufgeben müssen, weil deren Vermieter sie anders nutzen wollten. Was aus dem Café Brel wird, scheint offen. In einer Immobilienanzeige wird Mietern die Nutzung für „Gastronomie oder anderes Gewerbe“ angeboten. An eine Rückkehr des Kultursalons glaubt Aufenanger nicht. Nach seiner Kenntnis will die Hauseigentümerin das Erdgeschoss und die erste Etage getrennt vermieten. Einen neuen Veranstaltungsort kann sich der Literat kaum vorstellen. Der Charme der Gründerzeiträume mit Blick auf die S-Bahn sei einzigartig. Normalerweise kamen je 50 bis 80 Besucher zu „ImWestenWasNeues“.
Besonders gerne erinnert sich Aufenanger an den ungewöhnlichen Eröffnungsabend: Weil die Räume früher ein Bordell waren, wurde erotische Kunst und Literatur präsentiert. Beim letzten Kultursalon vor zehn Tagen las Aufenanger aus seinem Buch über den Bohème-Künstler John Höxter, dazu gab es Klaviermusik. Früher hatte die Veranstaltungsreihe manchmal im Hotel Bogota an der Schlüterstraße gastiert. Doch auch dieses existiert seit 2013 nicht mehr.