Kiezgespräch
Veröffentlicht am 10.07.2020 von Cay Dobberke
Mieter am Kaiserdamm sehen jetzt Rot statt Gelb. Ausgerechnet im April, als alle Berliner wegen der Coronavirus-Pandemie möglichst zu Hause bleiben sollten, verdunkelte der Ölkonzern Shell die Wohnungen am Kaiserdamm 109 mit einem gelben Riesenposter, auf dem man allen Krisenhelfern dankte. Die Hausverwaltung stellte das Baugerüst zur Verfügung, obwohl die Genehmigung für Werbung daran abgelaufen war. Kurz nach unserem Bericht über Mieterproteste ließ Shell das Plakat entfernen. Doch nun hängt an gleicher Stelle eine rote Plane mit Aldi-Reklame (ein Foto finden Sie hier).
In der Zwischenzeit hatte der Vermieter des Hauses nahe dem Lietzensee eine werbefreie, aber blickdichte schwarze Plane am Gerüst anbringen lassen. Das wirke wie eine Rache und „Kriegserklärung an die eigenen Mieter“, schrieb uns eine Bewohnerin.
Auch das neue Aldi-Riesenposter versperrt den Blick nach draußen – aber es ist legal. Um das zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Im September 2019 hatte die Hausverwaltung angekündigt, die Fassade und die Fenster zu sanieren. Beim Bezirk wurde Werbung am Baugerüst beantragt. Das Amt genehmigte diese wie üblich für maximal sechs Monate.
Erst im Februar wurde das Gerüst aufgebaut. Ab dem 5. März blickten die überraschten Mieter dann auf ein Plakat eines Carsharing-Anbieters. Ihnen hatte niemand mitgeteilt, dass eine Plane angebracht werden soll.
Die bis Ende März befristete Erlaubnis galt nicht mehr, als das Shell-Plakat folgte. Bezirksbaustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) reagierte auf die Mieterbeschwerden, indem er eine Beseitungsanordnung vorbereiten ließ. Shell war schneller und veranlasste die Entfernung.
Schon damals sagte uns Schruoffeneger, dass er einen eventuellen neuen Antrag auf Fassadenwerbung nicht ablehnen könne. Im genehmigten Zeitraum von sechs Monaten habe es ja nur gut drei Wochen lang Reklame gegeben. Jetzt nutzt die Hausverwaltung diese Chance. Das Aldi-Poster soll bis zum voraussichtlichen Ende der Fassadensanierung in zwei bis drei Monaten hängen bleiben.
Grundsätzlich sind Planen an Baugerüsten oft nötig, um Passanten vor Fassadenteilen oder anderen Gegenständen zu schützen, die herabfallen könnten. Dafür müssen Häuser aber nicht unbedingt verdunkelt werden – es gibt auch geeigneten transparenten Kunststoff. – Text: Cay Dobberke
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