Kiezgespräch

Veröffentlicht am 03.06.2022 von Cay Dobberke

Riesenposter-Missbrauch soll aufhören. Wenn Gebäude für Fassadensanierungen oder andere Bauarbeiten eingerüstet sind, dürfen die Eigentümer:innen bis zu sechs Monate lang große Werbeplakate anbringen. Immer wieder würden aber „Baustellen mit großflächiger Gerüstwerbung unnötig verzögert oder gar fingiert, um damit lukrative Werbeeinnahmen zu erzielen“, heißt es aus dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf. Dieser Praxis sage man nun „den Kampf an“.

Aktuell wirbt ein Anbieter von Mobilitätsdiensten am Hohenzollerndamm / Ecke Uhlandstraße in Wilmersdorf. Das sei „innerhalb weniger Jahre die dritte Einrüstung“ des Wohn- und Geschäftshauses und mit „massiven Einschränkungen“ für Fußgänger:innen und Radfahrende verbunden, kritisiert unsere Leserin Gertrud Citron.

Die Genehmigung der zwei Plakate ist am 31. Mai abgelaufen, allerdings liegt dem Bezirksamt ein Folgeantrag für den Juni vor. Der Fall mache „sehr exemplarisch deutlich, weshalb es dringend notwendig ist, hier zu einer restriktiveren Praxis zu kommen“, sagt Baustadtrat Fabian Schmitz-Grethlein (SPD). Charlottenburg-Wilmersdorf habe offenbar „besonders unter den Riesenplakaten zu leiden“.

Ordnungsstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) findet die „großflächige Verhüllung von Wohngebäuden nicht tolerierbar“. Er habe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklungsverwaltung schon vor einiger Zeit gebeten, „diese Form der Baugerüstwerbung in der Bauordnung stark zu reglementieren“. Das Bezirksamt erarbeite Kriterien und wolle diese im Sommer beschließen. Nicht zuletzt sollen Hausbewohner:innen vor der Verdunkelung ihrer Räume geschützt werden.

Wie störend Riesenposter sein können, erlebten Mieter:innen zum Beispiel am Kaiserdamm 109. Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020, als möglichst niemand in Berlin seine Wohnung verlassen sollte, vermarktete die Hausverwaltung ein Baugerüst für Werbung. Der Energiekonzern Shell dankte auf einem Plakat „allen Helfern und unseren Teams an den Tankstellen, die dazu beitragen, die Krise zu bewältigen“. Nach einem Tagesspiegel-Bericht ließ Shell das Poster entfernen und erklärte, man habe nicht gewusst, wo genau in Berlin eine beauftragte PR-Agentur die Dankesbotschaft verbreitete.

Für die Mieterinnen und Mieter an der Kantstraße war der Ärger damit nicht vorbei. Die Hausverwaltung brachte danach eine werbefreie, aber blickdichte schwarze Plane an. Eine Bewohnerin sah darin eine „Kriegserklärung an die eigenen Mieter“. Wenig später gab es wieder Reklame am Baugerüst, diesmal von Aldi. Inzwischen ist die Fassadensanierung beendet und das Wohnhaus wieder frei von Gerüsten.