Cay Dobberkes Tipp für Sie

Veröffentlicht am 21.02.2020

Eine Veranstaltungsreihe zum jüdischen Leben in Charlottenburg-Wilmersdorf startet am Donnerstag, 27. Februar, in der Bildgießerei Hermann Noack in der Straße Am Spreebord 9. Die Idee stammt vor allem von Avitall Gerstetter, die Deutschlands erste jüdische Kantorin ist und in ihrem Salon Avitall bereits Salondinner und Kulturabende veranstaltet. Beteiligt sind außerdem Bezirksbaustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) und sein Stadtentwicklungsamt sowie der vom Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen geführte Handelsverband Berlin-Brandenburg.

Den Auftakt bildet am 27. Februar ab 18.30 Uhr ein Gesprächsabend mit dem Schriftsteller Stephan Wackwitz sowie dem langjährigen früheren Feuilleton-Chef und heutigen Kolumnisten der „Jüdischen Allgemeinen“, Michael Wuliger. Unter dem Titel „Herr Wendriner und andere jüdische Spießer“, der sich auf eine literarische Figur von Kurt Tucholsky bezieht, reden die beiden Autoren über Juden, die „soziologisch zum ganz normalen Bürgertum mit einem Hang zur Spießigkeit gehören“. Das Musiker-Duo The Livnat Brothers aus Tel Aviv spielt am selben Abend „Yiddish Jazz“. Der Eintritt ist frei. Anschließend gibt es – wie bei jeder Veranstaltung in der neuen Reihe – ein kostenpflichtiges Salon-Dinner, für das man sich anmelden muss (per E-Mail an info@salonavitall.org oder unter Tel. 0177 182 55 27).

Auch fünf weitere Gesprächsabende werden von Stephan Wackwitz und Michael Wuliger unter dem Motto „Jüdisch im Westen. Geschichten, Klatsch und Anekdoten“ gestaltet. Die nächsten Folgetermine sind der 2. April („Charlottengrad – von Jabotinsky bis zur Mafia“) und 5. Mai („Mode, Erotik und Fotografie: Yva und Helmut Newton„) jeweils um 18.30 Uhr. Außerdem wird am 5. Mai eine Ausstellung der Malerin und Grafikerin Miriam Vlaming eröffnet. Im weiteren Programm bis zum Jahresende spricht unter anderem der Cartoonist Til Mette am 6. Oktober über seine Arbeit.

Zu den Unterstützern des Projekts gehören das Auswärtige Amt und der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein. Avitall Gerstetter möchte zeigen, dass „jüdisches Leben, jüdische Kultur und jüdische Menschen sich nicht durch Vorurteil, Hass und nackte Gewalt verdrängen lassen“ und das jüdische Leben „mitten in Deutschland, quicklebendig und in unzähligen Facetten mitten in unserer Gesellschaft steht“.

Baustadtrat Schruoffeneger betont, es gehe nicht allein um ein Kulturprojekt. Charlottenburg-Wilmersdorf stehe vor großen Veränderungen. „Umso wichtiger“ sei es, zu klären, „was die Wurzeln der City West sind“ und wie sich deren „DNA bildet“. Nur so könne es eine „Weiterentwicklung ohne Identitätsverluste“ geben. Die City West sei „in ihrer Historie als innovatives Zentrum der Stadt nicht ohne das weltoffene liberale jüdische Leben der 20-er Jahre verstehbar“.

Viel Lob spenden Avitall Gerstetter und Oliver Schruoffeneger dem Handelsverbands-Chef Nils Busch-Petersen, der wesentlich zur Finanzierung der Veranstaltungsreihe beiträgt. Busch-Petersen sei „ein großer Freund und Förderer jüdischen Lebens in Berlin“, sagt Gerstetter. Tatsächlich hat Busch-Petersen beispielsweise schon das Louis Lewandowski Festival für Synagogalmusik gegründet, Bücher über jüdische Kaufhausgründer geschrieben und für seine Verdienste vor vier Jahren eine deutsch-jüdische Auszeichnung erhalten.