Cay Dobberkes Tipp für Sie

Veröffentlicht am 01.04.2021

Neues Buch über den Ku’damm – bei uns können Sie es gewinnen. Die Publizistin und Historikerin Regina Stürickow vergleicht den Kurfürstendamm mit einer „alten Dame, die sich immer wieder liften lässt, ohne zu erkennen, dass die oberflächliche Veränderung die Schönheit ihrer Jugendjahre nicht zurückbringen wird“. Es sei zu befürchten, dass die Straße zu einer „beliebigen Luxusmeile“ werde, in der das Flair fehlt, „das einen lebendigen Boulevard ausmacht“.

Andererseits müsse man „nicht in Pessimismus verfallen“. Immerhin habe ein Teil der Modeketten ein exklusives Sortiment, und in den Seitenstraßen gebe es noch „echte Besonderheiten“.  Außerdem habe die Architektur vieler Neubauten „vermutlich eine längere Halbwertszeit“ als Bausünden aus den vorherigen Jahrzehnten. Weil die östliche Berliner Innenstadt „auch nicht mehr so hip und neu“ wirke wie noch vor zwei Jahrzehnten, könne die Mitte der City West wieder ein Zentrum des Berliner Lebens werden – anders als früher, aber doch „aufregend und liebenswert“.

So steht es in dem soeben erschienenen Buch Der Kurfürstendamm. Geschichte des Berliner Boulevards (Elsengold Verlag, 25 Euro, 224 Seiten mit vielen Fotos). Es handelt sich um die aktualisierte und erweiterte Fassung eines Werkes, das Regina Stürickow bereits 1995 veröffentlicht hatte. Wir verlosen fünf Exemplare unter allen Leserinnen und Lesern, die unter tagesspiegel.de/gewinnen das Stichwort „Kurfürstendamm“ eingeben.

Der Boulevard sei „stets heftig umstritten“ gewesen, schreibt die Autorin im Vorwort. Unter Kritikern habe er als protzig, neureich und dekadent gegolten, während andere in ihm einen „Brennpunkt der Moderne und der kulturellen Erneuerung“ sahen. Die Geschichte erzählt Regina Stürickow in klassischer chronologischer Form – angefangen mit dem „Knüppeldamm“, der als Reitweg in den Grunewald entstanden war und erst auf Initiative des Reichskanzlers Otto von Bismarck von privaten Grundstücksgesellschaften zur Prachtstraße ausgebaut wurde.

Einen großen Einfluss auf die kulturelle Entwicklung attestiert Regina Stürickow der Künstlervereinigung „Berliner Secession“, die 1905 ein Ausstellungshaus an der Stelle des späteren Ku’damm-Karrees (heute: Fürst Berlin) eröffnete. Ausführlich stellt das Buch die vielen einstigen Vergnügungsstätten vor. Dazu gehörten der berühmte Lunapark am Halensee, Radrennbahnen, Tennisplätze, Orient-Ausstellungen, Wildwest-Shows und die große Marine-Schau im Jahr 1904, bei der Seeschlachten mit Miniatur-Kriegsschiffen in einem Wasserbecken nachgestellt wurden.

Im Kapitel „Verlorene Paradiese“ geht es um legendäre Treffpunkte der Bohème wie das Romanische Café und das Café des Westens. Leser:innen erfahren, dass manche Künstler sich den Aufenthalt dort nur leisten konnten, weil Mäzene für sie zahlten oder die Kellner es gestatteten, den ganzen Tag lang vor der „schon morgens ausgetrunkenen“ Tasse Kaffee zu sitzen. Die Aufzählung prominenter Stammgäste nimmt viele Zeilen ein.

Auch den bis heute bekannten Spitznamen „Charlottengrad“ erklärt  Regina Stürickow. Er war entstanden, als Russen nach der Revolution im Jahr 1917 massenweise nach Berlin und besonders nach Charlottenburg emigrierten. Natürlich stellt das Buch auch die zahlreichen Theater sowie die Kinos vor, von denen direkt am Ku’damm nur die heutige Astor Film Lounge und das nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete Cinema Paris im Maison de France übrig geblieben sind.

In der NS-Zeit habe der Boulevard seinen Ruf als elegante Geschäftsstraße und beliebtes Vergnügungszentrum anfangs noch behalten, heißt es. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1936 in Berlin hätten die Nazis ihn als „liberales Aushängeschild“ genutzt und den Schein gewahrt. Zum Niedergang sei es dann mit der Judenverfolgung, „Arisierungen“ und der Schließung von Kulturstätten gekommen, bis im Zweiten Weltkrieg die weitgehende Zerstörung durch Bombenangriffe der Alliierten folgte. Trotzdem sei der Kurfürstendamm in der Nachkriegszeit wieder aufgeblüht und während des Kalten Krieges zum „Schaufenster des Westens“ geworden.

Für Ku’damm-Kenner mag vieles im Buch nicht neu sein, aber es fasst die Geschichte leicht lesbar zusammen und steckt voller Anekdoten und Details. Nur die Zeit nach 1990 kommt auf neun Seiten etwas kurz. Deshalb erfährt man beispielsweise wenig über große Neubauten wie die Hochhäuser „Zoofenster“ und „Upper West“ am Breitscheidplatz.