Nachbarschaft

Veröffentlicht am 05.07.2019 von Cay Dobberke

Stefan Schuck, Initiator und künstlerischer Leiter des Noon Song in der Kirche am Hohenzollernplatz.

Bei den musikalischen Andachten in der evangelischen Kirche, die wegen ihrer expressionistischen Architektur auch „Kraftwerk Gottes“ genannt wird, geht es wahrlich ökumenisch zu. Zu den durchschnittlich mehr als 200 Menschen, die sonnabends ab 12 Uhr den halbstündigen „NoonSong“ („Mittagslied“) besuchen, gehören Protestanten, Katholiken, Angehörige anderer Religionen und Atheisten – und neben Berlinern auch viele Touristen. Allein in diesem Jahr kamen bisher mehr als 4900 Gäste zu 24 Konzerten. Acht Sängerinnen und Sänger des Profi-Vokalensembles Sirventes Berlin singen seit zehn Jahren geistliche Chorwerke von der Renaissance bis zur Gegenwart. Der Eintritt ist immer frei, die einzigen Einnahmen sind Spenden. Nach der momentanen Sommerpause geht es am 3. August weiter. Der 500. NoonSong ist für Februar 2020 geplant.

Als „kulturelles Highlight und wichtiges Element der Ökumene“ in der City West hatten das Bezirksamt und die BVV die Reihe schon 2012 gewürdigt und Stefan Schuck die Bürgermedaille verliehen. Soeben erhielt der Chorleiter auch das Bundesverdienstkreuz. Die Berliner Kulturverwaltung übergab es ihm im Namen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). In der Begründung werden weitere Tätigkeiten des Professors erwähnt. Schon seit 1992 dirigiert Schuck den Hugo-Distler-Chor. Und als Mitbegründer des Projekts „KinderStimmen“ der Lernwerkstatt Berlin leistet er eine stadtweit einzigartige stimmpädagogische Arbeit mit Kita-Kindern in Wedding und Kreuzberg.

Obwohl der Chor in einer evangelischen Kirche auftritt, ist Schuck selbst Katholik. In Frankfurt am Main studierte er katholische Kirchenmusik sowie Chor- und Orchesterleitung. Ab 1989 war er an der Universität der Künste (UdK) Berlin im Fach Chorleitung tätig, später übernahm er ein Lehramt an der Hochschule für Kirchenmusik Rottenburg-Stuttgart. Seit 2013 arbeitet er als freiberuflicher Dirigent und hat mit vielen Profi-Chören wie dem Berliner Rundfunkchor zusammengearbeitet.

Und wie gefällt ihm Charlottenburg-Wilmersdorf? Fast 20 Jahre lang wohnte Schuck hier am Prager Platz, in Halensee und schließlich am Fehrbelliner Platz, bevor er vor fünf Jahren nach Mariendorf umzog. „Seither ist mein gemütliches Büro in der Hohenzollernkirche mit Blick auf den Kirchturm mein zweites Wohnzimmer“, sagt er. Gestaltet hat er das Büro mit Kunstwerken, die sich jeder gegen eine geringe Gebühr in der Artothek der Kommunalen Galerie Berlin ausleihen kann. Diese „ansprechende Galerie mit lichten, klaren Räumen“ erwarte man nicht im tristen Bürogebäude am Hohenzollerndamm 176, findet Schuck.

In seinen meist kurzen Pausen zwischen Proben und Besprechungen braucht er oft einen schnellen, aber guten Kaffee. Dafür lobt er das „entspannte“ Café LaMa am Hohenzollerndamm 7, wo es auch „leckeren selbstgebackenen Kuchen und deftige überbackene Brote gibt“. Nach dem NoonSong „beginnt mein Wochenende bei Apos Käseparadies auf dem Wochenmarkt vor der Kirche“. Der Händler verkaufe Käse, „den man sonst kaum bekommt, wie auch die traditionellen Sorten, gut gereift und zu einem sehr fairen Preis“.

Wenn er selbst abends mal keine Chorprobe hat, interessiert sich Schuck für das Programm des Vereins Kulturvolk (Freie Volksbühne Berlin) an der Ruhrstraße. Sein Geheimtipp: „Da verbirgt sich auch die hervorragende Theaterbibliothek im original erhaltenen Ambiente der 1960er Jahre.“

Foto: Patrick Vogel

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