Nachbarschaft
Veröffentlicht am 13.09.2019 von Cay Dobberke
Stefan Ahrens schließt zum Jahresende das von ihm mitgegründete Möbelgeschäft Trollhus im Stilwerk an der Kantstraße 17.
Ikea-Möbel verkaufte Trollhus schon, bevor es den ersten Ikea-Markt in Berlin gab. 1975 begannen die Studenten Stefan Ahrens und Christian Meyer damit, vor allem Holzmöbel des schwedischen Herstellers zu importieren. Die Idee war ihnen gekommen, „weil Christian eine schwedische Freundin hatte“, erinnert sich Ahrens. Per Reichsbahn gelangten die Transporte nach Berlin und wurden mangels eines Lagers sofort mit einem früheren Postauto ausgeliefert. Der erste „Showroom“ war Meyers Studenten-WG in Wilmersdorf. Der erste Laden eröffnete ein Jahr später am Hohenzollerndamm. Geschenkartikel aus Schweden bereicherten das Sortiment.
Nun endet die langjährige Firmengeschichte. Ende Dezember schließt Ahrens das heutige Geschäft im Designcenter Stilwerk an der Charlottenburger Kantstraße. Über den Start des Ausverkaufs am vorigen Mittwoch wurden bis jetzt nur Stammkunden informiert, damit sie einen Vorsprung bei der Schnäppchensuche haben. Für die Geschäftsaufgabe gibt es zwei Gründe. Die direkte Ursache sind Umbaupläne des Stilwerks Berlin, dessen Eigentümer in den vorigen Jahren mehrmals gewechselt hat. Laut verschiedenen Mietern gehört das Center aktuell einem Immobilienfonds, der Läden in der vierten Etage in Büros umwandeln will.
Dafür soll der Klavierhersteller Bechstein, der dort drei Showrooms betreibt, in die erste Etage umziehen – nämlich in die Trollhus-Räume und das benachbarte Geschäft „Pro Arte“. Letzteres schließt bereits Ende September, wie eine Mitarbeiterin bestätigt. Der Vermieter habe „Pro Arte“ ersatzweise eine Fläche im Erdgeschoss angeboten, jedoch zum doppelten Preis. Dem Vernehmen nach wurde außerdem einem dritten Laden gekündigt. Vom Stilwerk sind keine Einzelheiten zu erfahren.
„Auch aus Altersgründen“ macht Trollhus-Chef Ahrens nicht weiter. Im Februar 2020 stehe schließlich sein 70. Geburtstag bevor. Der inzwischen verstorbene Mitgründer Christian Meyer war schon lange nicht mehr dabei. Seit 2001 führt Ahrens die Geschäfte allein. Bereits in den vorigen drei Jahren versuchte er erfolglos, einen Nachfolger für das 700 Quadratmeter große Geschäft zu finden. Um seine sieben Angestellten, die zum Teil auch bei Trollhus ausgebildet worden waren, macht er sich wenig Sorgen. Dank des guten Rufs der Firma hätten die Mitarbeiter schon neue Jobs in Aussicht. Persönlich fällt Ahrens der Abschied von seinem Team aber schwer, da man sich „wie eine Familie“ fühle.
Aus einem der frühesten Kunden wurde einst der erste Angestellte, der auch Anteile an der Firma erwarb. Es handelte sich um Klaus Gennrich, der später jahrelang Centermanager im Stilwerk war. Um nicht in Interessenkonflikte zu geraten, zog sich Gennrich 2001 aus der Trollhus-Geschäftsführung zurück.
Das ursprüngliche „Schwedenmöbel“-Konzept hatte man bereits 1979 geändert. Denn damals machte Ikea in Spandau auf. Für die Trollhus-Gründer war klar, dass sie sich vom großen neuen Konkurrenten deutlich unterscheiden müssen. Also stellten sie das Sortiment auf „hochwertige Massivholzmöbel“ um, die von kleineren Herstellern aus Schweden und Dänemark stammten. Außerdem begann eine bis heute andauernde Partnerschaft mit dem österreichischen Produzenten „Team 7“. Der Laden ist Mitglied im Branchenverband „ProÖko“, in dem sich „ökologische Einrichtungshäuser“ zusammengeschlossen haben, und wirbt mit dem Slogan: „Natürlich schön wohnen“.
Wirtschaftlich war man immer recht erfolgreich. 1979 hatten Ahrens und Meyer die Räume am Hohenzollerndamm vergrößert, 1985 kam ein Küchenstudio hinzu. 1991 folgte eine Filiale in Dresden, die acht Jahre danach von Mitarbeitern übernommen wurde und weiterhin besteht. Das Berliner Stammgeschäft zog 1999 ins damals neue Stilwerk um.
Mit Möbelhandel im mittelständischen Maßstab „wird man nicht reich“, sagt Ahrens, fügt aber hinzu: „Wir hatten unser Auskommen.“ Ahrens ist erklärtermaßen „reisefreudig“ und möchte noch mehr von der Welt sehen. Besonders gerne ist er in Skandinavien und schwärmt von Stockholm im Sommer. Zusätzlich reist Ahrens mit seiner Frau, die aus Bulgarien stammt, öfters in deren Heimat. Er selbst wurde in Spandau geboren, ging dann nahe dem Ernst-Reuter-Platz zur Schule wohnte lange in Wilmersdorf, bis er nach Schöneberg umzog.
Der Aufschwung der City West, nicht zuletzt in der Umgebung seines Geschäfts an der Kantstraße, freut Ahrens: „Es macht Spaß, dass sich die Gegend wieder belebt.“ Auch sein Job habe ihm viel Freude gemacht. In seinem jetzigen Alter sei es aber „in Ordnung, aufzuhören“.
Foto: Mike Wolff
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