Nachbarschaft
Veröffentlicht am 29.11.2019 von Cay Dobberke
Kim Nung Li, Kwong Loy Lee, Fuk Tai Li und Kin Cheung Li haben nach 49 Jahren ihr China-Restaurant Lee Wah am Kurfürstendamm aufgegeben.
Zwei Dinge sind der deutsch-chinesischen Familie bei ihrem geschäftlichen Abschied wichtig: der Dank an die treue Kundschaft und die Feststellung, dass den Vermieter keine Schuld an der Schließung des traditionsreichen Restaurants trifft. Am Sonnabend wurde im Lee Wah zum letzten Mal serviert. „Der Vertrag läuft aus, und wir wollten nicht weitermachen“, sagt Kim Nung Li (43) – auch im Namen seines 85-jährigen Vaters Kwong Loy Lee und seiner 78-jährigen Mutter Fuk Tai Li. Die beiden sind bis zuletzt regelmäßig in dem Restaurant präsent geblieben, hatten den Betrieb allerdings längst ihren fünf in Berlin geborenen Kindern überlassen.
1961 war der Gründer Kwong Loy Lee aus der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong ausgewandert. Über London und Hamburg gelangte er nach Berlin und eröffnete 1970 sein erstes Restaurant am Kurfürstendamm 110, das 1979 an den Ku’damm 92 umzog. „Man wird nicht reich davon“, sagen seine Söhne Kim Nung und Kin Cheung, aber das Geschäft lief „gut und solide“. Jetzt brauchen die beiden „erstmal eine Pause“. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer davon ist der Fachkräftemangel. „Es kommt ja keiner nach“, vor allem qualifizierte Köche seien kaum zu finden.
Außerdem zeigen sich die Wirte „arbeitsmüde“. Oft habe er täglich 13 Stunden im Restaurant verbracht, sagt der 49-jährige Kin Cheung Li. Und: „Wir Gastronomen haben nie Feierabend.“ Auch an den Weihnachts- und Osterfeiertagen wurden stets Gäste bewirtet. Vermissen wird die Familie allerdings die Verwandtschaftstreffen, die sie jeweils halbtags am Heiligabend im Lee Wah gefeiert hatte. Es sei anfangs ohnehin nicht leicht gewesen, die Eltern von der Schließung zu überzeugen, erzählen die zwei Söhne. Der Vater habe sich um die Familienehre gesorgt.
Kim Nung Li hört auch auf, um sich um sein künftiges zweites Kind zu kümmern. Er und seine Frau erwarten die Geburt der Tochter zum Jahresende. Eine spätere Rückkehr in die Gastronomie „schließe ich nicht aus“, sagt der gelernte Restaurantfachmann, der früher auch im Hotel Steigenberger gearbeitet hatte. Ebenso wie sein Bruder spricht er perfekt Deutsch, was natürlich darauf beruht, dass beide in Charlottenburg aufgewachsen sind. Seine chinesische Abstammung kann man Kim Nung Li nur ansehen. „Am Telefon sage ich gerne: Mein Name ist Hans Müller“, scherzt er.
Für viele Anwohner geht eine Kiez-Institution verloren. Die Wirte bleiben jedoch bescheiden und finden, sie hätten doch nur ein „ganz normales“ Restaurant geführt. Wie die Räume künftig genutzt werden, steht nach Auskunft des Vermieters noch nicht fest. Es gebe aber Interessenten für ein neues Restaurant, heißt es von der Hausverwaltung.
Text & Foto: Cay Dobberke
Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter: cay.dobberke@tagesspiegel.de
+++
Diesen Text haben wir dem neuen Tagesspiegel-Newsletter für Charlottenburg-Wilmersdorf entnommen. Den Bezirksnewsletter gibt es in voller Länge und kostenlos unter leute.tagesspiegel.de.
+++
Meine weiteren Themen im Newsletter für Charlottenburg-Wilmersdorf – eine Auswahl +++ In fünf Kiezen sollen Autofahrer abends länger Parkgebühren zahlen +++ Stadtentwicklungsverwaltung zieht ins alte Rathaus Wilmersdorf +++ Viele neue Pläne für die Gedächtniskirche +++ Schmargendorf erstmals mit Weihnachtsbeleuchtung +++ Wir empfehlen Adventskonzerte und Weihnachtsmärkte +++ Aussterbendes Handwerk – eine der letzten Schustereien in der City West schließt +++