Nachbarschaft

Veröffentlicht am 07.02.2020 von Cay Dobberke

Volkmar Schnöke, Architekt und Gründer des Ausstellungsprojekts „Alt-Charlottenburg. Wie haste dir verändert…“

Um herauszufinden, wie Charlottenburg in den ersten zwei Jahrhunderten seines Bestehens aussah, reiche eine kurze Internetsuche nicht aus, stellt Volkmar Schnöke klar. Die Recherche sei „mühsam und zeitintensiv“. Man müsse viele Bücher lesen sowie das Bauaktenarchiv des Bezirks oder das Berliner Landesarchiv aufsuchen. Das hat der 79-Jährige getan und daraus in mehr als vier Jahren eine Ausstellung entwickelt. Noch ist sie nicht fertig und nur in seiner Wohnung an der Wilmersdorfer Straße 18 zu sehen. Dort lebt Schnöke in einem der ältesten erhaltenen Charlottenburger Häuser aus dem Jahr 1871.

Auf Modellplatten zeigt er die städtebauliche Entwicklung ab 1698 – sieben Jahre, bevor die Siedlung nach dem Schloss bzw. der verstorbenen Königin Sophie Charlotte benannt wurde und das Stadtrecht erhielt – bis 1888. Das erste Modell zeigt überwiegend Wald, dann folgen immer mehr einstöckige Häuser. Erst mit dem Beginn der Industrialisierung ging „alles sehr schnell“, sagt Schnöke, die berühmt-berüchtigten „Mietskasernen“ kamen hinzu.

Die Miniaturen lassen nicht erkennen, wie die Häuser aussahen. Schnöke spricht von „Platzhaltern“. Aber zu jeder Modellplatte gibt es Informationstafeln mit Fotos, Zeichnungen und Texten. Außerdem sind die Dächer der winzigen Hausmodelle mit drei verschiedenen Farben markiert – je nachdem, ob ein Gebäude noch existiert, ob zumindest noch die Adresse bekannt und Fotos vorhanden sind oder ob gar nichts mehr herauszufinden war. Die Modelle wurden von der Charlottenburgerin Nannette-Lorraine Schumacher angefertigt. Sie hatte Schnöke vor einigen Jahren kennengelernt und sich für sein Projekt begeistert.

Dagegen vermisst der Ausstellungsmacher eine Unterstützung durch Bezirkspolitiker oder Fachleute, die sich mit der Bezirksgeschichte beschäftigen. Zwei Mal präsentierte er seine Schau beim „Tag der offenen Denkmals“. Doch aus dem Bezirksamt habe sich „keiner gezeigt“, beklagt der Architekt. Das Museum Charlottenburg-Wilmersdorf in der Villa Oppenheim soll unter der früheren Leiterin Sabine Witt zwar eine sechsmonatige Sonderausstellung für möglich gehalten haben, nicht aber die von Schnöke gewünschte Dauerausstellung. Als seinen „Traum“ nennt er eine ständige Ausstellung im Schloss Charlottenburg, die mit „viel Geld“ weit über das bisherige Stadium hinaus gestaltet werden solle.

„Die Recherche wird nie abgeschlossen sein“, glaubt Schnöke. Derzeit arbeitet er an einem gedruckten Ausstellungskatalog. Der soll ähnlich ausführlich werden wie drei Bücher über „Brandenburger Bauernhöfe“, die er vor 15 Jahren veröffentlicht hatte. Vielleicht schon in diesem Jahr könnte eine Smartphone-App mit einer Datenbank über Alt-Charlottenburg online gehen. Mit der technischen Umsetzung hat Schnöke einen Informatiker beauftragt.

Etwa 60 Studenten des Fachgebiets Bau- und Stadtbaugeschichte an der Technischen Universität (TU) Berlin erforschen derzeit die Entwicklung der Otto-Suhr-Allee. Der federführende Professor Hermann Schlimme hat mit Schnöke vereinbart, ihm die Ergebnisse mitzuteilen.

Darüber hinaus sucht Schnöke ehrenamtliche Helfer, die ihn beim Befüllen der Online-Datenbank unterstützen. Interessierte können sich unter info@schnoeke.de oder Tel. 3150 3610 melden – ebenso wie Einzelpersonen oder bis zu 20-köpfige Gruppen, die sich die Ausstellung ansehen wollen.

Foto und Text: Cay Dobberke

Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter:  cay.dobberke@tagesspiegel.de

+++ Dieser Text stammt aus dem Tagesspiegel-Leute-Newsletter für Charlottenburg-Wilmersdorf, der immer freitags erscheint. Sie können ihn kostenlos hier bestellen: leute.tagesspiegel.de

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