Nachbarschaft

Veröffentlicht am 14.02.2020 von Cay Dobberke

Margarete Rüffer und Edmund Krahn gehören dem Ostfriesenverein Berlin an.

Dass Edmund Krahn aus Norddeutschland stammt, erkennt man zumindest im Winter schnell, wenn er eine Mütze mit der Aufschrift „Moin Moin“ trägt. Seit 1967 lebt der in Jever aufgewachsene Diplom-Wirtschaftsingenieur in Berlin – und als Ruheständler trat er 2011 dem Berliner Ostfriesenverein bei, den er seit rund einem Jahr leitet. Einmal im Monat kommen 75 Butenostfriesen – „Buten“ heißt „draußen“ – im Gemeindehaus der Kreuzkirche am Hohenzollerndamm zusammen, um Tee mit Kluntje (Kandiszucker) zu trinken und zu klönen (plattdeutsch für „Plaudern“). Krahn sieht einen „positiven Trend“ in dem 1926 gegründeten Verein, regelmäßig kommen neue Mitglieder hinzu.

Margarete Rüffer wohnt nahe der Kirche in Schmargendorf und spielt eine wichtige Rolle bei der Organisation der Treffen. Derzeit ist die Rentnerin vor allem mit der Vorbereitung des jährlichen Grünkohlfestessens beschäftigt. An diesem Sonnabend um 16 Uhr geht es im Gemeindesaal mit Grünkohl und Pinkel (Grützwurst) los. Dabei werden auch der „Grünkohlkönig“ und die „Grünkohlkönigin“ gekürt. 1976 habe ihre Mutter, die dem Verein seit dem Ende der 1940-er Jahre angehörte, diese Titel eingeführt, erinnert sich Margarete Rüffer. Anfangs ging die Auszeichnung mehrmals an einen Arzt, „weil der immer so viel aß“. Darauf kommt es heute nicht mehr so an. Ohne festgelegte Kriterien ernennt der Vorstand verdiente Mitglieder zu Königen und Königinnen.

In der Vergangenheit habe der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mehrmals seine Teilnahme am Grünkohlessen zugesagt, aber „er ist nie gekommen“, erzählen Krahn und Rüffer. Als Unterstützer ging der einstige Regierende Bürgermeister Ernst Reuter in die Vereinsgeschichte ein: Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der in Schleswig-Holstein und Ostfriesland aufgewachsene Politiker bei den Alliierten für die schnelle Wiederzulassung des Ostfriesenvereins ein.

Beim Festessen, das inklusive „Dornkaat“-Kornbrand 25 Euro pro Person kostet, sind grundsätzlich auch Nichtmitglieder willkommen. Aktuell reiche der Platz aber höchstens noch für zwei Personen, heißt es. Kurzentschlossene Interessenten können sich an Krahn wenden (krahne@kabelmail.de, Tel. 5514 74 98).

Pinkel sei in Berlin übrigens sehr rar, erzählen Margarete Rüffer und Edmund Krahn. Zu den wenigen Läden, wo man die Wurst kaufen kann, gehören nach ihrer Kenntnis das KaDeWe, die Fleischerei Bünger in der Westfälischen Straße und die Holsteiner Räucherkate in Spandau.

Zu den satzungsgemäßen Zielen des gemeinnützigen Vereins gehört es, die „Verbundenheit aller Ostfriesen und Freunde Ostfrieslands zu fördern“ sowie die „ostfriesische Sprache“ und die „Geschichte, Sitte und Kultur“ der Region zu pflegen. Gleichwohl „sprechen wir überwiegend Hochdeutsch“, sagt Krahn. Zu den Traditionen gehört natürlich auch das Boßeln. Diesen Sport, bei dem eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine bestimmte Strecke gelangen soll, übt man seit zehn Jahren an jedem zweiten Sonntag auf dem Tempelhofer Feld aus – allerdings nur im Herbst und Winter, denn im Frühling und Sommer „ist es dort zu voll“.

Ein Mal im Jahr gibt es außerdem ein „Wanderboßeln“ im Berliner Umland. Und alle zwei Jahre treffen sich Butenostfriesen aus ganz Deutschland in ihrer Heimat – zum Beispiel in Emden, Wilhelmshaven oder Wiesmoor.

 Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge unter:  cay.dobberke@tagesspiegel.de

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