Nachbarschaft

Veröffentlicht am 14.08.2020 von Cay Dobberke

Hannah Cesarz hat sich als Ordnungsberaterin selbstständig gemacht (ordnungsberaterin-hannah.de, Nithackstraße 4).

„Wie richtiges Aufräumen Ihr Leben verändert“, lautet der Untertitel des Bestsellers „Magic Cleaning“ der japanischen Autorin Marie Kondo. Auf Hannah Cesarz trifft der Slogan doppelt zu. Zum einen trennte sie sich vor drei Jahren nach der Lektüre des Buches von „zwei Dritteln meiner Sachen“. Sie habe das Buch „verschlungen“, sagt die 33-jährige. Für den nächsten Tag stellte sie ihren Wecker auf sechs Uhr morgens, um sofort loszulegen. Später war sie wochenlang damit beschäftigt, aussortierte Kleidung, Möbel und anderes zu verkaufen. Manche Dinge, für die sie keinen Interessenten fand, landeten im Müll.

Doch es blieb nicht beim Aufräumen. Seit einem halben Jahr arbeitet Hannah Cesarz selbst als Ordnungsberaterin. In London ließ sie sich im vorigen Jahr drei Tage lang von Marie Kondo und deren Team schulen. Seitdem gehört sie zum relativ kleinen Kreis zertifizierter „KonMari Consultants“. Ursprünglich hatte die gebürtige Pankowerin, die seit 2009 in Charlottenburg wohnt, Linguistik und Erziehungswissenschaften studiert. Bei einem privaten Berliner Bildungsträger leitet sie einen Standort. Diesen Job wird Hannah Cesarz im September aufgeben und sich auf ihre neuere Tätigkeit konzentrieren.

Bald will die Beraterin ein Büro eröffnen. Sie veranstaltet Kurse für einzelne Personen oder kleine Gruppen und bietet Hausbesuche bei ihren Kund(inn)en an, Zusätzlich hat sie sich auf Ordnung am Arbeitsplatz spezialisiert und wendet sich damit besonders an Lehrerinnen und Lehrer.

Die Hauptzielgruppe sind Frauen. Diese interessierten sich anscheinend mehr als Männer für Ordnung, Übersichtlichkeit und den Verzicht auf Ballast, hat Hannah Cesarz festgestellt. Bisher unterstützte sie ein Dutzend Leute, nur einer davon war männlich.

Ihr Konzept beschreibt sie so: „Man guckt, ob einen Dinge glücklich machen oder was nützlich ist.“ Alles andere kommt weg. Von einer Lagerung im Hauskeller rät Cesarz ab. Dann habe man die überflüssigen Sachen „immer noch im Hinterkopf“. Auch ihre eigene Mutter hat sie kostenlos beraten. Diese sagt, sie habe „verbuddelte Lieblings-Klamotten wiedergefunden“ und vieles in die Kleidersammlung gegeben. „Die Dinge, die ich behalten habe, inszeniere ich jetzt ganz neu.“

Jedem Leser von Marie Kondos Büchern ist es natürlich möglich, die enthaltenen Tipps alleine umzusetzen. Berater seien aber „gut für Leute, die nicht anfangen können“, findet Hannah Cesarz. Für sie ist es eine „wahnsinnig intensive Arbeit, man dringt tief ein in das Leben anderer“. Es könne 30 Stunden dauern, Ordnung in eine Zwei-Zimmer-Wohnung zu bringen.

Die Coronavirus-Pandemie machte Hausbesuche und Kurse im Frühjahr wegen des Kontaktverbots unmöglich. Dann aber beflügelte die Krise das Geschäft sogar. Frauen, die mehr Zeit zu Hause verbrachten und teils im Homeoffice arbeiteten, entschlossen sich, endlich einmal aufzuräumen.

Privat fühlt sich Hannah Cesarz wohl in ihrem Kiez nahe dem Schloss Charlottenburg. Sie spaziert gerne durch den Schlosspark, setzt sich mit einem Buch an die Spree oder schwimmt im Stadtbad an der Krummen Straße (was derzeit allerdings nicht möglich ist). Außerdem geht sie oft in Kinos. Als diese kürzlich wieder öffnen durften, ging Hannah Cesarz „antizyklisch“ vor, besuchte „am Samstagnachmittag bei 29 Grad Hitze“ eine Vorstellung – und saß dann mit nur vier anderen Besuchern im Saal.

Foto: Cay Dobberke

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