Nachbarschaft
Veröffentlicht am 21.08.2020 von Cay Dobberke
Thomas Pfeifroth ist ab September der neue Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Ludwig in Wilmersdorf.
Er hat lange mit der katholischen Kirche „gehadert“ und störte sich unter anderem daran, dass die „Barmherzigkeit“ zu kurz komme. Als junger Mann gab Thomas Pfeifroth seinen Wunsch auf, Priester zu werden, und trat sogar aus der Kirche aus. Statt Theologie studierte er Kunstgeschichte und arbeitete dann in der Film- und Fernsehbranche. Als Requisiteur stattete er beispielsweise die ersten 113 Folgen der Puppenserie „Käpt’n Blaubär“ in der „Sendung mit der Maus“ aus.
Kurz nach dem Mauerfall 1989 zog Pfeifroth von Frankfurt am Main nach Berlin um. Hier wurde er Florist, bis heute ist er stolz auf seinen Gesellenbrief. Die Großstadt faszinierte ihn – auch als Gegensatz zu dem Bauernhof in einem fränkischen Dorf, wo er aufgewachsen war.
Erst als er St. Ludwig als Besucher kennenlernte, wuchs Pfeifroths Interesse am Katholizismus wieder. Er erlebte eine „sehr einladende Kirche, die auch Querdenker zulässt“. Schließlich kehrte er in die katholische Kirche zurück und absolvierte doch noch ein Theologiestudium in Erfurt (mit einem Semester im indischen Bangalore).
In Berlin wurde er Kaplan in drei Gemeinden und war zuletzt sieben Jahre lang Pfarradministrator der Gemeinde „Bruder Klaus“ in Neukölln. Weil die Franziskaner die Führung von St. Ludwig jetzt nach vielen Jahren abgeben, bot der Berliner Erzbischof Heiner Koch ihm an, dorthin zu wechseln.
Als „Mann der klaren Worte“, der „nach wie vor kein einfaches Verhältnis“ zur Kirche habe, fühlt sich Pfeifroth in St. Ludwig am richtigen Ort. Er will das „Selbstbewusstsein“ der Mitglieder weiter stärken und die Gemeindearbeit „gestalten, statt nur den Alltagstrott zu absolvieren“. Dringend sucht er noch eine(n) Organisationsmanager(in), um von Verwaltungsaufgaben entlastet zu werden. Bis zum 1. September sei er aber noch gar nicht im Amt, betont der neue Pfarrer und lässt sich deshalb vor Umzugskisten in seinem unfertigen Büro fotografieren.
Auch in St. Ludwig wird er Pfarradministrator. Den Unterschied zum normalen Pfarramt erklärt Pfeifroth damit, dass man als Administrator versetzt werden kann. Gleichwohl hat er sich vorgenommen, möglichst bis zum Ruhestand an der jetzigen Stelle zu bleiben.
Doch es wird eine große Veränderung geben. Das Erzbistum will St. Ludwig mit der Pfarrei Maria unter dem Kreuz südlich des Volksparks Wilmersdorf zusammenlegen. Die Fusion leitet der dortige Pfarrer Frank-Michael Scheele. Mit Großpfarreien kennt sich allerdings auch Pfeifroth als ehemaliges Mitglied im Leitungsteam des „Pastoralen Raums Neukölln-Süd“ aus. In voraussichtlich drei bis vier Jahren geht Pfarrer Scheele in den Ruhestand. Ob Pfeifroth dann zum Nachfolger ernannt wird, steht noch nicht fest.
Seine Liebe zu Musik und zeitgenössischer Kunst will der Pfarrer mit Ausstellungen und Konzerten auch in seine Gemeindearbeit einbringen. Der neue Kirchenmusiker Jacobus Gladziwa sei ein hervorragender „A-Musiker“, freut sich Pfeifroth. Er selbst hatte sich in seiner kunstgeschichtlichen Dissertation mit dem Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch beschäftigt und dessen „Orgien-Mysterien-Theater“ aus „liturgiewissenschaftlicher Sicht“ analysiert. Später leitete er Kunstgespräche im Hamburger Bahnhof in Moabit – und hofft, Ähnliches im künftigen Humboldt Forum in Mitte organisieren zu können.
Unterdessen verabschieden sich die Franziskaner am Sonntag, 30. August, um 10 Uhr aus St. Ludwig. Zu dem Gottesdienst will auch Erzbischof Koch kommen, um ihnen zu danken. Die Mönche begründen ihren Rückzug mit fehlendem Nachwuchs.
Foto: Cay Dobberke
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