Nachbarschaft

Veröffentlicht am 19.03.2021 von Cay Dobberke

Benjamin Nudelmann (benny-nudelmann.de) ist Immobilienmakler am Kurfürstendamm und hat ein Buch über seine bizarrsten Erlebnisse geschrieben. Bei uns können Sie es gewinnen.

Wenn der angebliche Vertreter eines Kaufinteressenten für eine Potsdamer Villa eine Jogginghose, dreckige Schuhe und einen befleckten Mantel trägt, wirkt das recht seltsam. Noch merkwürdiger wurde der Auftritt des Mannes aber dadurch, dass er sich auf einer Visitenkarte als russischer Prinz („Prince of Russ“) ausgab. Das Gespräch war nach 90 Sekunden beendet und „die kürzeste Besichtigung meiner Maklerkarriere“, erinnert sich Benjamin Nudelmann.

Später meldete sich eine neue Interessentin mit russischem Akzent. Zum Ortstermin erschien auch sie mit einer Jogginghose und mit zerzausten Haaren. Erst als sie nach dem Rundgang ihre Visitenkarte mit der Aufschrift „Princess of Russ“ zückte, wurde dem Makler klar, dass sie aus der gleichen Familie stammte wie der vermeintliche Prinz.

„Schreib das mal auf!“, hörte Nudelmann immer wieder, wenn er Freunden und Bekannten solche Anekdoten schilderte. So entstand die Idee für sein neues Taschenbuch „Was kostet die Drecksbude eigentlich? Echte Geschichten eines Berliner Immobilienmaklers“. Die Arbeit daran dauerte rund eineinhalb Jahre. Nudelmann änderte Namen und ließ manchmal Details weg, um niemanden zu kompromittieren. Da er sich zwar für einen guten mündlichen Erzähler, aber nicht für einen talentierten Schreiber hält, nahm er die Hilfe eines professionellen Autoren in Anspruch. Dies ändere aber nichts daran, dass „alles wahr ist“, betont er.

In die Rolle eines Detektivs schlüpfte der Makler einmal für einen Geschäftspartner. In einer „sehr guten Lage“ hatte dieser drei Etagen an ein Café vermietet. Als es um eine Vertragsverlängerung ging, kamen dem Vermieter aber Bedenken – unter anderem, weil das Café dem Anschein nach gar nicht alle Etagen nutzte. Nudelmann besuchte das Lokal als Gast. Während zwei Freunde die Bardame ablenkten, konnte er unbemerkt die Treppe hochsteigen. Er öffnete eine Tür und blickte überrascht in ein illegales Spielcasino.

Am Kottbusser Tor in Kreuzberg traf sich Nudelmann mit einem Mann, der ein Sushi-Restaurant plante. Während beide das dafür gedachte Ladenlokal von außen betrachteten, kam es ein paar Meter weiter zu einer Messerstecherei. Einer der zwei Kontrahenten wollte eine lose Bodenplatte auf seinen Gegner werfen, traf aber beinahe den Mietinteressenten. Nudelmann bemühte sich, den Vorfall als „Ausnahme“ darzustellen, aber auch als Zeichen dafür, dass im Kiez „immer was los ist“. Der angehende Wirt ließ sich nicht abschrecken und unterschrieb den Vertrag.

In einem Telefonanruf beim Maklerbüro forderte ein Mann vehement die Schlüssel zu einer Wohnung ein. Benjamin Nudelmann fand aber keinen Mietvertrag mit dem Unbekannten, der ihn als schlecht organisiert beschimpfte und sich als „Sicherheitsbeauftragter der amerikanischen Botschaft“ ausgab. Später erfuhr Nudelmann, dass der Mann in eine andere Wohnung gezogen war, die einer Familie gehörte. Drei Monate lang wartete diese vergeblich auf Mietzahlungen. Offenbar handelte es sich um einen sogenannten Mietnomaden. Darüber hinaus fahndete die Polizei wegen Drogendelikten nach ihm.

Wir verlosen drei Exemplare des Buches unter allen Leserinnen und Lesern, die unter tagesspiegel.de/gewinnen das Stichwort „Drecksbude“ eingeben. Nudelmann verschenkt das Werk gern an seine Kundschaft und sagt, es komme „gut an“.

Er will auch zeigen, dass er „bodenständig“ geblieben und kein knallharter Geschäftsmann sei. Ein Kunde sagte ihm vor Jahren mal, er sei „ein Mensch geblieben“. Darüber freut sich der 28-Jährige bis heute. Bei jedem Geschäftsabschluss spendet die Maklerfirma Nudelmann & Friends, die er gemeinsam mit einem Geschäftspartner führt, 500 Euro für soziale Zwecke.

Im allgemeinen Buchhandel ist sein Werk nicht erhältlich. Erst nach Bestellungen wird es als „Print on demand“-Ausgabe von der Online-Versandhandlung Amazon gedruckt, nur dort kann man es für 14,99 (oder für 4,99 als E-Book) erwerben.

Nudelmann stammt aus Zehlendorf und wohnt heute in Schmargendorf. Da er einer jüdischen Familie angehört, zog er nach seiner Schulzeit nach Israel und meldete sich dort freiwillig zum Militärdienst als Fallschirmjäger. Bei seiner Rückkehr nach Berlin wählte er seinen heutigen Beruf, weil einige seiner Bekannten schon erfolgreich in der Immobilienbranche tätig waren. Nudelmann studierte Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt „Immobilienmanagement“, absolvierte Praktika in Architekten- und Maklerbüros und wurde Angestellter bei einem hiesigen Immobilieninvestor.

Sein erstes eigenes Büro eröffnete er in einem Keller an der Grunewalder Wissmannstraße. Antisemitismus erlebe er selten, berichtet Nudelmann. Nur vereinzelt sei es in Geschäftsverhandlungen geschehen, dass jemand mehr oder weniger scherzhaft gesagt habe: „Er ist Jude.“

Viele Makler seien durch fragwürdige Methoden „selbst daran schuld, dass sie in schlechtes Licht gerückt werden“, findet Nudelmann. Er ist für einen „freien Markt mit einzelnen staatlichen Eingriffen“ und hält Milieuschutzgebiete für sinnvoll. Den Mietendeckel sowie Vorkaufsrechte des Landes Berlin sieht er etwas skeptischer. „Damit wird keine neue Wohnung geschaffen.“ Außerdem glaubt der Makler, dass Gerichte den Mietendeckel bald kippen werden. Dann stelle sich die Frage, ob Mieter die Nachforderungen von Hauseigentümern bezahlen können. Grundsätzlich bedauert er einen von der Politik hervorgebrachten „gewissen Klassenkampf“ in Berlin.

Solche ernsten Themen kommen im Buch nicht vor. Nudelmann entschied sich dafür, „nur lustige Geschichten“ zu erzählen.

Foto: Cay Dobberke

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