Nachbarschaft

Veröffentlicht am 22.04.2022 von Cay Dobberke

Barbara Petermann plant einen „Brückenschlag“ und meint dies doppeldeutig. In den früheren Wilmersdorfer Räumen der legendären Galerie Bremer an der Fasanenstraße 37 will sie sich mit der neuen Galerie F37 an ihrer Vorgängerin Anja Bremer orientieren. Unter anderem hatte diese oft Expressionisten der Künstlergruppe „Brücke“ präsentiert.

Aber auch ganz andere Ausstellungen, etwa mit Streetart, hält Barbara Petermann für möglich. Ihr Ziel lautet: „Es soll ums Lebensgefühl gehen.“ Beispielsweise könne der urbane Alltag in einer Großstadt wie Berlin zu den Themen gehören.

Eigentlich ist die Galeristin eine Buchautorin und Journalistin. In ihrer Heimatstadt Mainz hatte sie einen Verlag für lokale Medien gegründet. Ihr Vater war der 2016 verstorbene Bildhauer Reinhold Petermann. Aus dessen Nachlass besitzt sie viele seiner Werke.

Deshalb wurde Petermann von einem ihrer Nachbarn am Fasanenplatz angesprochen: „Sie haben doch die Skulpturen!“ Es war der Unternehmer Michael Gerdschwager. Er betreibt hauptberuflich eine Arbeitsvermittlung für Studierende, hatte aber auch die verwaisten Räume angemietet, um gemeinsam mit seiner Frau wieder eine Galerie daraus zu machen.

Im Auftrag der Eheleute führt Barbara Petermann diese nun als Kuratorin. Die erste Vernissage bei „F37“ beginnt am Freitag, dem 29. April, um 18 Uhr. In einer Doppelausstellung sind Nachtbilder des Fotografen Detlef Bluhm aus Berlin und weiteren Städten sowie Skulpturen von Reinhold Petermann zu sehen. Die Schau soll bis zum 15. Juli dauern (Do. und Fr. 11-19 Uhr, Sa. 11-16 Uhr und nach Vereinbarung unter kontakt@galerie-f37.de oder Tel. 0173 311 55 71).

Bluhm wohnt selbst in dem Haus, das die Galerie beherbergt. Es handelt sich also um ein echtes Kiezprojekt.

Die Geschichte des Kulturorts reicht weit zurück. Anja Bremers 1946 gegründete Galerie galt als die erste in Berlin nach dem Krieg. Der ursprüngliche Ort war eine Wohnung am Südwestkorso. Ein paar Jahre lang ging es dann in der Meinekestraße weiter, bis Bremer und ihr Lebensgefährte Rudolf van der Lak aus Surinam die Galerie 1955 am Fasanenplatz ansiedelten.

Auch wegen der von Hans Scharoun gestalteten Bar wurde daraus ein stadtweit bekannter Künstler- und Prominententreff. Die Drinks servierte „Rudi“, wie ihn seine Freunde nannten. Auch nach Anja Bremers Tod im Jahr 1985 machte er weiter. Erst 2005 verabschiedete sich van der Lak; rund ein Jahr später starb er. Unseren damaligen Nachruf können Sie auf tagesspiegel.de lesen.

Leider existiert die alte Bar nicht mehr. Es gibt verschiedene Darstellungen dazu, wer sie entfernen und durch einen modernen Tresen ersetzen ließ. Nach Kenntnis von Detlef Bluhm war es der Friseur Udo Walz. Dieser hatte die Räume im Jahr 2010 übernommen und drei Jahre lang hauptsächlich als Lokal geführt. Dagegen sagt der Vize-Vorsitzende des Vereins „Scharoun Gesellschaft“, Dimitri Suchin, schon vorher habe ein anderer Betreiber alles umgestaltet. Dafür gebe es mehrere Quellen.

Der jetzige Galeriebetreiber Michael Gerdschwager sei ein Weinliebhaber, erzählt Barbara Petermann. Er wolle im Laufe der kommenden zwei Jahre eine neue Bar einrichten und vor allem Weine aus Italien und Portugal ausschenken. Scharouns Interieur wird wohl nicht zurückkehren, obwohl es vielleicht noch auffindbar wäre. Petermann kennt Gerüchte, wonach eine Freundin von Rudolf van der Lak die Original-Bar eingelagert hat.

  • Foto: Doris Spiekermann-Klaas
  • Wer soll hier als nächstes vorgestellt werden? Sie selbst? Jemand, den Sie kennen? Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge an cay.dobberke@tagesspiegel.de.