Nachbarschaft

Veröffentlicht am 14.10.2022 von Cay Dobberke

Neue Energie für Eichkamp. Ohne Gas und Öl sollen viele Häuser in der rund 100 Jahren alte Siedlung Eichkamp klimaneutral mit Wärme versorgt werden. Dieses ehrgeizige Ziel hat sich der Arbeitskreis Energie des Siedlervereins gesetzt. Anfang 2023 möchten die Anwohnenden eine Genossenschaft gründen. Auf einem Teil des Parkplatzes des Mommsenstadions an der Waldschulallee planen sie ein „zentrales Heizhaus“. Etwa zwei Drittel des Bedarfs könnten mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe gedeckt werden und der Rest durch die Verfeuerung kleingehäckselter Holzabfälle, heißt es. Auf dem Gebäudedach sind auch Solarzellen angedacht, um etwas Strom zu erzeugen.

„Ab 2025 möchten wir Wärme liefern“, sagt Sabine Drewes (2. v. r. auf unserem Foto). Die freiberufliche Sanierungsmanagerin arbeitet im Auftrag des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf in den Siedlungen Eichkamp und Heerstraße und ist damit die Einzige, die für das Projekt bezahlt wird. Zu den weiteren Beteiligten gehören der IT-Unternehmer Sandeep Jolly, der Zahnarzt Stefan Günther, der frühere Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, und der Elektroingenieur Marcus Schuchardt (v.l.n.r.). Reiner Wild wohnt nicht in Eichkamp, aber „in einer ähnlichen Siedlung in Steglitz“ und gehört dem Klimaschutzrat des Landes Berlin an. Er möchte die künftige Genossenschaft als Finanzvorstand unterstützen.

In einem ersten Bauabschnitt sollen bis 2024 etwa 150 Haushalte an das Nahwärmenetz angeschlossen werden. Rund 100 Interessierte haben sich schon gemeldet. Einige andere Häuser lägen zu weit entfernt von der geplanten Trasse der Rohre, bedauert Sabine Drewes. Mit dem Bezirk werde über die Wärmeversorgung mehrerer Schulen verhandelt. Eventuell komme auch die Sporthalle der Technischen Universität (TU) Berlin an der Waldschulallee infrage.

Diese zusätzliche Kundschaft würde auch die Finanzierung erleichtern – andererseits aber bedeuten, dass die beschränkten technischen Möglichkeiten zunächst nur für weniger als 150 Wohnhäuser reichen. In jedem Fall könne der Ausstoß an Kohlendioxid (CO2)  um mindestens etwa 1000 Tonnen jährlich reduziert werden, schätzt Drewes. „Es ist das Pendant zum Dämmen.“

Damit spielt sie auf eine zweite Vereins-AG an, die sich mit modernen Wärmedämmungen und Solarstromanlagen für die Altbauten beschäftigt. Daraus sind auch ein neuer Verein und ein Start-Up hervorgegangen. Auf Initiative des Anwohners Rudi Piwko werden Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine gemeinsam mit anderen Berliner:innen handwerklich tätig (wir berichteten).

Das Interesse an der neuen Wärmeversorgung habe wegen der gestiegenen Gas- und Ölpreise zugenommen, sagt die Gruppe um Sabine Drewes. Auf längere Sicht könnten beteiligte Haushalte mit geringeren Energiekosten als bisher rechnen. Das ganze Netz werde schätzungsweise sieben Millionen Euro kosten.

Fördermittel kommen unter anderem aus dem Bundesprogramm „Effiziente Wärmenetze“. Auch bei der „Nationalen Klimaschutzinitiative“ wurde ein Zuschuss beantragt. Darüber hinaus gilt es als möglich, dass das Bezirksamt der Genossenschaft beitreten wird. Später einmal könnte diese ihre Aktivitäten bis in die nahe Siedlung Heerstraße ausweiten.

Aber warum gehört Geothermie nicht zum Konzept? Ingenieur Schuchardt erklärt, dass Erdwärmetauscher in den Häusern nicht möglich seien. Ein früheres Reichsbahn-Ausbesserungswerk habe „das Grundwasser verseucht“. Leite man es nach oben, dürfe man es nicht wieder in den Boden fließen lassen – der typische Kreislauf bei der Geothermie wäre verboten. Andere Techniken, bei denen Erdwärme unterirdisch gewonnen wird, sind laut Schuchardt viel weniger effizient.

Noch mehr Informationen über das „genossenschaftliche Nahwärmenetz“ gibt es auf der Webseite nahwärme-west.berlin.

  • Foto: Cay Dobberke
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