Nachbarschaft

Veröffentlicht am 09.02.2024 von Cay Dobberke

Warum meckern Berliner so viel? Mit solchen Eigenarten der Stadt und besonders vielen Themen aus Charlottenburg-Wilmersdorf beschäftigt sich der Schriftsteller und ehemalige Theaterregisseur Jörg Aufenanger in seinen „Berliner Notaten“.

Als „Dorfposse“ kritisiert er die vom Bezirksamt angeordnete Übermalung der bunten Hostel-Fassade am Stuttgarter Platz. Der „wirkliche Kultfriseur Berlins“ war für ihn nicht Udo Walz, sondern ein gebürtiger Palästinenser. In dessen früherem Salon nahe dem Kurfürstendamm zählte Aufenanger zur Stammkundschaft. Der Autor schreibt auch über Zeiten, in denen der Ku’damm noch eine „kulturelle Flaniermeile“ war.

Diese Texte erscheinen im Online-Kulturmagazin „Musenblätter“. Außerdem liefert Aufenanger noch manchmal Beiträge für die Zeitschrift der Akademie der Künste. Auch im Alter von 78 Jahren könne er das Schreiben nicht lassen, erzählt er. Früher war er für diverse Printmedien tätig und verfasste eine Reihe von Büchern – darunter Werke zur Philosophie und Biografien über Geistesgrößen wie Goethe, Heine und Schiller.

Vor rund einem Jahr zog Aufenanger nach Westend in die Nähe des Steubenplatzes. Zuvor hatte er lange in der Gegend um den Savignyplatz und in Wilmersdorf gewohnt. „Westend hat einen gewissen Dorfcharakter“, findet er. Fahrgäste in Kleinbussen der Linie 349 grüßten sich sogar häufig. Überhaupt sei Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin „zum Wohnen am besten“ – und die ganze Stadt wirke nicht so hektisch wie Paris, wo er früher ebenfalls gelebt hatte.

Aufenanger stammt aus Wuppertal und ging in Dortmund aufs Gymnasium. An der Freien Universität Berlin und der Sorbonne in Paris studierte er Philosophie, Literatur und Theatergeschichte. Er ließ sich in Paris auch zum Schauspieler ausbilden und sah seine Fähigkeiten dabei selbst kritisch, stand aber trotzdem mehr als 100 Mal als Hamlet auf der Bühne. Dann wurde er Regisseur an Theatern in Paris, Rom und Deutschland. Eine von Aufenangers letzten Stationen in diesem Beruf war das Berliner Ensemble. Als Verehrer von Bertolt Brecht fühlte er sich dort am richtigen Ort.

„Im Westen geht die Sonne auf“, schrieb der Tagesspiegel im Jahr 2006, als Aufenanger zusammen mit der Autorin, Philosophin und Soziologin Isabelle Azoulay den Kultursalon „ImWestenWasNeues“ am Savignyplatz gründete.

In der „Galerie Premier Etage“ über dem damaligen Café Brel gab es mehr als 120 Chansonabende und andere Konzerte, Literaturlesungen, politische Diskussionen und Filmvorführungen. Manchmal gastierte die Veranstaltungsreihe auch im Hotel Bogota an der Schlüterstraße, bis dieses im Jahr 2013 schließen musste. 2018 folgte das Aus für das Café Brel inklusive der Galerie.

Aufenanger liebt Musik. In seiner Wohnung hört er Jazz und Klassik – aber auch noch immer Techno. Früher hatte er dafür Berliner Clubs besucht. Rauschgift habe er nie konsumiert, erzählt er. „Aber bei Techno fühle ich mich wie unter Drogen.“

  • Foto: Cay Dobberke
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