Intro

von Corinna von Bodisco

Veröffentlicht am 27.08.2020

das autonome Wohnprojekt „Liebig 34“ soll geräumt werden. Das ordnete am Mittwochvormittag eine Zivilkammer des Landgerichts an. Der Einspruch des Bewohner*innenvereins in der Liebigstraße 34 Ecke Rigaer Straße 97 wurde somit abgewiesen. Aufgeben will der Anwalt des queer-feministischen Hausprojekts aber nicht.  Er kündigte an, dem Verein die Berufung zum Kammergericht zu empfehlen. Damit dürfte der jahrelange Streit um eines der letzten autonomen Projekte der linken Szene voraussichtlich weitergehen, das Urteil sei laut Landgericht aber vollstreckbar.

250 Meter von der Liebigstraße 34 entfernt, sozusagen um die Ecke, tagte am selben Tag der Urteilsverkündung die Bezirksverordnetenversammlung (BVV): in der Musikschule in der Zellestraße 12. Ein Polizei-Mannschaftswagen stand vorsorglich vor dem Gebäude, doch nichts veranlasste während der etwa dreieinhalbstündigen Veranstaltung einen Einsatz.

Thema war die Liebigstraße aber schon. Die BVV überwies ein Papier der FDP („keine linksextreme Gewalt“) und eines der CDU (Solidarität mit den Anwohner*innen) zur weiteren Besprechung in die Ausschüsse für Queer und für Beschwerden. Zwei Baugemeinschaften mit Wohnsitz in der Nachbarschaft hatten Ende Juni gegen eine Resolution, in der sich die BVV mit den Bewohner*innen der Liebig34 solidarisch zeigten, protestiert. Die Anwohner*innen klagen unter anderem an: Scheiben wurden zertrümmert und es gebe regelmäßig Farbbeutelattacken sowie Graffiti mit Beschimpfungen und Morddrohungen.

Eine „öffentliche Positionierung gegen Gewalt“ habe es vonseiten des Bezirksamtes gegeben, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). Es sei ihr aber nicht bekannt, dass die Übergriffe „aus dem Haus heraus“, also von Bewohner*innen des Hausprojekts Liebig 34 begangen wurden. Obwohl es laut Oliver Nöll (Linke) schon einen Dialog mit den Anwohner*innen gab, fühlen sie sich „von der BVV nicht ausreichend unterstützt“, sagte Antragssteller Timur Husein (CDU).

Der Dialog im Samariterkiez wird weiter Thema bleiben, doch die Bewohner*innen der Liebig 34 müssen wohl bald ausziehen. Laut Herrmann habe sich Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) mit Immobilien-Investor Gijora Padovicz um eine Lösung bemüht, „doch ein Haus der Vielfalt möchte Padovicz nicht“.

  • Corinna von Bodisco ist freie Autorin beim Tagesspiegel. Ihr Top-Tipp, um morgens schneller wach zu werden: Den Kreuzberg zwei Mal rauf und runter rennen, noch bevor das Denkmal aufgeschlossen wird. Wünsche, Ideen und Kritik liest sie gern per Mail, bei Twitter oder Instagram.