Intro

von Corinna von Bodisco

Veröffentlicht am 14.04.2022

ein Weg von außen nach innen und zurück. Die Rede ist von einem Labyrinth in der Heilig-Kreuz-Kirche (die dicke rote Kirche beim Blücherplatz), das ich für Sie testweise schon mal begangen habe. Ich bin den Weg achtsam gegangen, habe mein eigenes Tempo gefunden und Zettel auf dem Boden aufgesammelt. „Wer das Labyrinth betritt, verlässt die vertraute Welt und begibt sich auf einen langen Weg“, konnte ich darauf zum Beispiel lesen.

Ich habe auf dem Weg über Folgendes nachgedacht: Was ist mein nächstes Ziel, wem kann ich vertrauen, was brauche ich nicht mehr? Das Nachdenken über solche Fragen kann vor allem in schwierigen Lebenslagen sehr beängstigend sein. Angst kommt hoch, Trauer vielleicht auch. „Weitergehen, auch wenn ich Angst habe. (…) Umkehren, auch wenn am liebsten alles so bleiben soll, wie es war. Neu anfangen, auch wenn mir der Mut fehlt. Weitergehen, damit das Leben rund wird“, steht auf einem der Zettel. Autor: Gernot Candolini, Labyrinth-Kenner.

Das Labyrinth ist eingefasst von aneinandergereihten Ziegeln, darauf Kerzen. In Bögen und Windungen führt der Pfad zu einer Art Mitte. Dort, inmitten der Kirche und im Inneren des Labyrinths, ist ein Mittelstein aus Labrador-Granit in den Boden eingelassen – und eine stählerne Spirale. Angekommen? Sind alle meine Fragen jetzt beantwortet? „Die Spirale ist ein Universalsymbol – ein Zeichen für die Einheit von Denken und Sein, von Leben und Tod. Sie ist uralt, viel älter als das Christentum, taucht in den unterschiedlichsten Kulturen auf und läßt sich – was für alle mythischen Symbole gilt – nicht ‚auf einen Begriff‘ bringen“, lese ich auf dem Begleit-Flyer.

Ich kenne die Spirale auch vom Eislaufen, da heißt sie Pirouette. Es ist eine sehr herausfordernde Drehung um die eigene Körperachse, die nach innen nahezu unendlich schnell und nach außen langsamer wird. Einen aufrechten Stand, eine feste Mitte (Bauchmuskeln) braucht man – und einen Punkt im Außen, den man fokussiert. Die Spirale ist also Bewegung und im innersten Punkt ein Wirbel. Sie dreht und tanzt, nähert sich an und entfernt sich wieder. Statisch ist sie nicht, eher Veränderung.

  • Wenn Sie mögen, probieren Sie das Bodenlabyrinth doch mal aus. Bis zum 17. April (Ostern) kann es in der Heilig-Kreuz-Kirche im Rahmen der „Woche der Stille“ besucht werden, mehr dazu habe ich Ihnen in diesem Newsletter weiter unten im Tipp aufgeschrieben.
  • Apropos innen und außen: Teuer im Szene-Zentrum oder günstiger am Rand? Friedrichshain-Kreuzberg und Marzahn-Hellersdorf könnten unterschiedlicher kaum sein. Nach MaHe ziehen viele, wenn das Leben im Zentrum zu teuer wird. Mit dem Rad sind etliche Wege zu weit. In Xhain wollen fast alle wohnen. Auch ruhig mit Dealern, aber ohne Autos. Gordon Lemm (SPD) und Clara Herrmann (Grüne) regieren zwei Berliner Bezirke, die kaum verschiedener sein könnten. Mit ihnen gesprochen haben meine Kollegen Julius Betschka und Christian Latz , hier können Sie das Streitgespräch lesen: plus.tagesspiegel.de.
  • Corinna von Bodisco ist freie Autor*in beim Tagesspiegel. Ihr Top-Tipp, um morgens schneller wach zu werden: Den Kreuzberg zwei Mal rauf und runter rennen, noch bevor das Denkmal aufgeschlossen wird. Wünsche, Ideen und Kritik gern per  oder Twitter.