Intro
von Corinna von Bodisco
Veröffentlicht am 11.08.2022
zücken Sie schon mal den Kalender: Das Projekt U1-Radbahn wird bald konkreter – zumindest auf einem kleinen Teil bei uns in Kreuzberg. Die geplante Radbahn soll es Radfahrer:innen in Zukunft ermöglichen, über mehrere Kilometer unter der U-Bahn-Trasse Rad zu fahren. Jetzt soll Ende August ein erstes Testfeld eröffnet werden – auf Höhe der Oranienstraße unter dem Viadukt auf der Skalitzer Straße.
Mit einer Ausstellung, Vorträgen und Führungen will die Projektträgerin, die gemeinnützige UG Reallabor Radbahn, über das Vorhaben informieren und „mit einfachen Mitteln und kleinen baulichen Eingriffen“ aufzeigen, wie die Radbahn zukünftig aussehen könnte. Aktuell ist die Fläche von parkenden Autos und Brachflächen geprägt.
Ein Programm rund um die Teststrecke ist seit kurzem auf der Webseite radbahn.berlin online:
- Der Testlauf startet am 24. August um 17 Uhr mit einer Ausstellung („U-Side-Gallery“), bei der die Besucher:innen dazu eingeladen werden, den Raum unter dem Viadukt mit einer Pflanz- und einer Sprayaktion „schöner zu machen“.
- Am Donnerstag, den 25. August, ist eine Art Spatenstich mit den Projektbeteiligten und Vertreter:innen von Bund, Senat, Bezirksamt und Presse geplant. Danach sollen dann vier Tage lang Aktionen und bauliche Maßnahmen folgen.
Konkret gemeint mit den „kleinen baulichen Eingriffen“ sind dem Programm zufolge der Bau von Sitzmobiliar, Bodenmarkierungen und eine Radwerkstatt. Außerdem geplant sind Lastenrad-Testfahrten, Diskussionen und ein Kulturprogramm mit Musik, Kaffee und Kuchen vom „Coffee Bike“ oder einem Foto-Workshop. Im benachbarten Veranstaltungsraum AL.Berlin wird Live-Musik gespielt, die „vom Verkehrslärm ablenkt“.
„Wir wollen Neugierde auf Veränderungen wecken, Menschen für lebenswerte Stadträume begeistern und den Blick dafür öffnen, was alles unter dem Hochbahn-Viadukt möglich ist“, sagt Jeanette Werner vom Reallabor-Planungsteam. Es ginge bei diesem ersten Test weniger darum, die verkehrstechnische Situation zu erproben. Für 2023 sei dann ein größeres, 200-Meter-Testfeld unter dem Viadukt zwischen den Kreuzungen Oranienstraße und Mariannenplatz geplant.
Zur Verkehrssituation während der Aktionstage teilt das Bezirksamt mit, dass „für die Dauer der Veranstaltung das Parken unter dem Viadukt aufgehoben“ wird. Außerdem sollen vier Parkplätze dauerhaft entsiegelt und begrünt werden. Weitere verkehrsregelnde Maßnahmen wie spezielle Zugänge zum Testfeld oder die Sperrung des Verkehrs auf der Skalitzer Straße seien aber nicht vorgesehen.
Doch bei einer Diskussion zur Radbahn am Dienstagabend im SO36 gab es auch Kritik am Projekt. Etwa 40 Menschen nahmen an der von den Planer:innen organisierten Veranstaltung teil, darunter Akteur:innen des Berliner Mietervereins sowie von Initiativen wie Changing Cities und der Stadtteilkoordination Nördliche Luisenstadt.
Es sei eine kontroverse Diskussion gewesen, sagt Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein dem Tagesspiegel. Das Projekt vertrete die Interessen von Radfahrer:innen, löse nicht nicht das Problem, dass der ÖPNV für Menschen mit niedrigem Einkommen zu teuer sei. So habe Hamann häufig von Anwohner:innen am Kottbusser Tor gehört: „Wie transportiere ich eine fünfköpfige Familie ohne Auto, wenn der Nahverkehr zu teuer ist?“ Hinzu käme, dass sich manche Anwohner:innen im eigenen Auto sicherer fühlen als im öffentlichen Nahverkehr – aus Angst vor rassistischer Diskriminierung.
Die Kritikpunkte der Veranstaltung wolle man intern nochmal besprechen, sagt Maximilian Hoor, einer der Geschäftsführer vom Reallabor. Einige Punkte wie die Breite der Radwege unter und an der Hochbahn oder die geplante Länge des Testfeldes seien in der Vergangenheit schon häufiger angesprochen worden. Ein weiterer Punkt: Was kann vonseiten von Bürger:innen noch mitentschieden werden? Eine Ideensammlung auf mein.berlin.de sowie eine mehrtägige Werkstattveranstaltung habe es bereits gegeben. Wenn es allerdings darum gehe, Angebote für Autofahrer:innen wie Parkplätze zu schaffen, sieht Hoor darin einen generellen Widerspruch zum Radbahn-Projekt. „Wir können nicht allen Wünschen gerecht werden, wenn sie der Verkehrswende entgegen stehen“, sagt er.
- Mehr zum ersten Testfeld der Radbahn habe ich Ihnen auf Tagesspiegel Plus aufgeschrieben.