Namen & Neues

Gegen die Gesamtscheiße: Interview mit dem Berlin Buster's Club

Veröffentlicht am 18.04.2019 von Nele Jensch

Kollege Robert Klages, der den Lichtenberg-Newsletter schreibt (alle Bezirksnewsletter gibt’s hier), hat ein Buch geschickt bekommen: „Unerhört! Adbusting gegen die Gesamtscheiße“. Sowas liest er natürlich sofort mit Vergnügen. Adbusting bedeutet veränderte Werbung. Also Werbeplakete, die von Unbekannten mit Aufklebern versehen oder durch Beschriftung manipuliert wurden. Also sowas hier. Es wird als Protestform verstanden. Kollege Klages schreibt uns:

Der Trick von Werbung, so steht es im Buch, bestehe darin, das zu bewerbende Produkt mit als positiv wahrgenommenen Emotionen und Bildern zu verbinden, die bereits im gesellschaftlichen Diskurs vorhanden sind. „Nicht Werbung verändert die gesellschaftlichen Diskurse, die gesellschaftlichen Diskurse bestimmen die Bilderwelten der Reklame.“

Das Buch zeigt Beispiele von Adbusting: Auf Werbeplakten wurden kleinere Plakate aufgeklebt: „Warnung: Rassismus kann tödlich sein.“ In Berlin würde die Werbung nur darauf warten, umfunktioniert zu werden. Eine Unicef-Werbung für eine Spendenaktion für Kinder in Syrien wurde verändert: Das abgebildete Kind sagt nun durch eine aufgeklebte Sprechblase: „Ohne Herrschaft und Rassismus müsst ihr nicht spenden…“ Der Aufkleber ist recht offensichtlich angebracht.

Andere Veränderungen fallen auf den ersten Blick vielleicht nicht immer auf: Adbuster „entstellen die Werbung bis zur Kenntlichkeit“, heißt es. Besonderen Effekt habe diese Kunstform, wenn sie den Stil der zu persiflierenden Werbung aufnimmt und hart bis an die Grenze der Glaubwürdigkeit überspitzt. So wurden Plakate der Bundeswehr umgestaltet.

Das Buch zeigt auch, wie Adbusting nach hinten los gehen kann. Nachdem ein Plakat einer Bundeswehr-Kampagne verändert wurde, greift die PR-Agentur der Bundeswehr das veränderte Plakat auf. „Wir kämpfen auch dafür, dass du gegen uns sein kannst“, heißt es auf einem neuen Plakat mit dem Foto vom bekleben Original. „Wieder-Aneignung durch die Bundeswehr“, heißt es im Adbusting-Buch.

Eine andere Form des Adbusting ist die Imitation. So wurden die Original Bundeswehr-Werbeplakate nachempfunden, nur mit dem Werbespruch „Wir nehmen gerne auch Arschlöcher.“ Die Plakate wurden in die Werbevitrinen gehängt, welche dazu natürlich geöffnet werden mussten. Das Buch kann man auf den Workshops (bbsc.blackblogs.org) oder im Buchladen „Schwarze Risse“ in der Gneisenaustr. 2a bekommen.

Veröffentlicht hat das Buch der „Berlin Buster’s Social Club“, ein „loser Zusammenschluss von Fotograf*innen, die sich der Dokumentation von Adbusting verschrieben haben.“ Sie bieten auch Workshops und Vorträge zum Thema an. So zum Beispiel auf dem „unframed festival“ vom 25. bis 28. April im New York im Bethanien, Mariannenplatz 2a, Kreuzberg. Am Freitag den 25. ist der Workshop vom Buster’s Club, steht im Programm: „Gemeinsam wollen wir uns Beispiele ansehen und diskutieren, ob diese Aktionsform für eine emanzipatorische Praxis geeignet ist.“

Kurzinterview: Wie kam es zu dem Buch, was war die Idee, wie ist es entstanden?

Boris Adbuster: Wir wollten reich und berühmt werden.
Adbustian Bustewka: Die Bilder sehen einfach cool aus, wenn man sie in der
Hand hält.
Carolin Überklebestuss: Das Bildungsbürger*innentum fährt fast kultisch-religiös auf den Fetisch „Buch“ ab. Da die meisten Adbustings eher unerhört bleiben, hielten wir es für einen coolen Move, diesen Buch-Fetisch subversiv zu nutzen, um auch den das demokratische Regime ideologisch tragenden Schichten die Inhalte der Adbusting-Aktionen nahe zu bringen.

Wie hat sich das Phänomen Adbusting in Berlin entwickelt?

Boris: Es hat sich so gut entwickelt, dass beim LKA ein*e eigene Sachbearbeiter*in für Adbusting zuständig ist.

Carolin: Hör ma auf immer so anzugeben!

Adbustian: Journis wollen bei dieser Frage immer gerne hören, dass das der letzte heiße Scheiß sei. Das Leute Quatsch mit öffentlichen Aushängen machen, gibt’s vermutlich, seitdem die wichtigen Leute in hierarchischen Gesellschaften auf die Idee gekommen sind, auf diese Weise mit ihren Subalternen zu kommunizieren. Formen von Adbusting sind schon in Pompeji konserviert. Mit dem Buchdruck ist es dann so richtig losgegangen und seit dem 20. Jahrhundert und den Massenmedien gibt es dann auch eine breite Überlieferung. Adbusting ist in Berlin eine alte Tradition und mindestens seit dem Kaiserreich verbreitet. Aber das ist ein anderes Buch. Vielleicht unser nächstes.

Ihr gebt in dem Buch eine Anleitung zum Öffnen von Werbeaufstellern. Ist
das nicht Sachbeschädigung?

Carolin: Weitergeben von Wissens ist ganz sicher keine Sachbeschädigung.

Boris: Und wir reden immer nur über Aktionen, machen aber nie selbst welche.

Adbustian: Im Kapitalismus ist der Zugang zum Öffentlichen Raum wie alle Ressourcen ungleich verteilt. Wenn dann Leute sich da ne Aufmerksamkeitsscheibe von der Werbeindustrie abschneiden, finden wir das nicht besonders schlimm.

Carolin: Und die Gerichte scheinbar auch nicht. Unseres Wissens nach gibt es kein einziges Urteil zu dem Ding mit dem Vitrinen. Wer eins kennt: bbsc@riseup.net. Das wäre hoch interessant.

Würdet ihr ein vollständiges Werbeverbot in Kreuzberg begrüßen?

Boris: Nö. Dann gibt’s ja auch keine Adbustings mehr oder wir müssten unseren Kiez verlassen, um welche fotografieren zu können. Und das tut man als Hipster so ungern…

Carolin: Wir glauben nicht, dass kapitalistische Inwertsetzung wesentlich netter oder humaner wird, nur weil Werbung verboten wird.

Adbustian: Dieses ganze Gequatsche von „Werbung manipuliert uns“ teilen wir nicht. Klar hat Werbung Effekte auf Leute, aber die beliebte verkürzte Kapitalismuskritik, die Werbung zum alleinigen oder schlimmsten Übel im Kapitalismus erklärt, hat was verschwörungstheoretisches und einige von uns finden das auch strukturell antisemitisch. Leider sind das Bildungsbürger*innentum und das linke Mosaik von sowas nicht frei…

Carolin: das Problem ist in unseren Augen nicht Werbung an sich. Sondern die gesellschaftlichen Diskurswelten hinter der Werbung. Wenn eine Gesellschaft rassistisch oder sexistisch tickt, bildet sich das selbstverständlich auch in der Werbung in dieser Gesellschaft ab.