Namen & Neues

Gentrifizierung: Kiezbuchhandlung Kisch & Co soll weichen

Veröffentlicht am 25.06.2020 von Nele Jensch

Sie ist eine Institution im Kiez: Die Buchhandlung Kisch & Co in der Oranienstraße 25, die dort bereits seit 23 Jahren Bücher verkauft. Doch nun ist auch sie Opfer der Gentrifizierung geworden: Anfang des Jahres wurde das Gebäude an den Immobilienfonds „Victoria Immo Properties V S.a.r.l.“ aus Luxemburg verkauft – und nun soll die Buchhandlung weichen, seit Juni ist sie ohne Mietvertrag (Corinna von Bodisco berichtete schon einmal im April).

Denn die Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer sind gescheitert: Kurz vor Auslaufen des Mietvertrags Ende Mai erreichte die Buchhandlung zwar ein Angebot für einen neuen Mietvertrag mit einer reduzierten Miete bis Ende des Jahres, für den 140 Quadratmeter großen Laden hätte Inhaber Thorsten Willenbrock dann statt 2800 nur 2450 Euro monatlich zahlen müssen. Dennoch hätten Willenbrock und sein Geschäftspartner bei Unterzeichnung ihr eigenes Aus besiegelt: Sie sollten sich verpflichten, ihr Geschäft bis zum 31. Dezember zu räumen, andernfalls müsste rückwirkend doch die volle Miete gezahlt werden. 

Besonders perfide: Das Angebot enthielt eine Verschwiegenheitsklausel, derzufolge die Inhaber nichts über die Inhalte des Vertrags preisgeben und keine Namen der Beteiligten hätten nennen dürfen. Zudem sollten sie auch noch ein Loblied auf ihren Vermieter singen: In einem Youtube-Clip und in Mitteilungen gegenüber der Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD), der Abgeordneten Gaby Gottwald (Linke) und Bezirksstadträtin Clara Herrmann (Grüne) sowie Journalisten von RBB und Berliner Kurier sollte über das „Entgegenkommen“ von Victoria Immo Properties bezüglich der Vertragsverlängerung positiv berichtet werden. Next-Level-Gentrification sozusagen.

Willenbrock lehnte ab. In der Folge wurden die Betreiber am 10. Juni von der Anwältin des Fonds aufgefordert, die Geschäftsräume bis zum 19. Juni zu übergeben, da schon ein Folgemietvertrag abgeschlossen sei. Es werde mit Schadenersatzforderungen gedroht, berichtet die Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez. Das alles wohlgemerkt in einer Zeit, in der auch die Politik fordert, Mieten zu reduzieren und keine Mieter*innen vor die Tür zu setzen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise zu überwinden. Übrigens ist nicht nur Kisch & Co betroffen: Auch gegenüber anderen Mieter*innen im Haus wurden Bizim Kiez zufolge extreme Mietsteigerungen angekündigt, zum Teil von 13 auf 38 Euro pro Quadratmeter. Kampflos hinnehmen will der Kiez das nicht: Am gestrigen Mittwoch (24.6.) fand eine Demonstration mit anschließender Lesung bei Kisch & Co statt.