Namen & Neues

Woran können Sie sich erinnern? Jahrestag des Mauerbaus

Veröffentlicht am 13.08.2020 von Masha Slawinski

Am 13. August begann der Bau der Mauer, die Ost- von Westdeutschland trennte. Wolfgang Lenk, Kultursoziologe und seit 2007 Fraktions-Mitglied der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg, teilt seine Erinnerung dazu:

„Ich erinnere, dass mein Vater nach der Arbeit sofort das Radio einschaltete – Fernsehen hatten wir nicht – und eigentlich nicht wirklich verwundert war. Er rechnete seit längerem mit härteren Grenzen durch die SED, auch deshalb war unsere Familie bereits nach Hildesheim gezogen. In den Jahren vor meiner Einschulung lebte ich aber mehrmals für Monate bei meinen Großeltern in der Christburger Straße 10 in Prenzlauer Berg. Doch nun waren die Zeiten wohl vorbei, in denen meine Mutter mich in Hannover allein in ein Flugzeug setzte, eine Stewardess mir einen Platz zuwies, von dem ich die Propeller sehen konnte und meine Oma mich in Tempelhof – mit Passierschein – abholte. Ich fand’s toll und dachte, wegen der Mauer kann ich nun nicht mehr alleine fliegen!“

Anfang das Jahres habe ich für eine Porträtreihe obdachlose Menschen interviewt. An der Frankfurter Allee traf ich den 76-jährigen Klaus. Er saß vor dem S-Bahnhof im Rollstuhl und bettelte. In einem nah gelegenen Park erzählte er mir seine Geschichte. Fast sein ganzes Leben hatte er in Friedrichshain verbracht. Nun eben auch auf der Straße. Als die Mauer gebaut wurde, spielte er gerade Fußball an der Lohmühlenstraße in Treptow.

„Das werde ich nie vergessen. Wir hatten in Treptow in der Lohmühlenstraße ein Fußballspiel und da haben auch jute Kumpels von mir gegen uns jespielt. Als wir da ankamen, haben wir schon die Drahtballen über der Straße gesehen. Wir sind dann da erstmal hingestürmt und haben geguckt, was die da fabrizieren. Uns hatten die Offiziere in den Arsch treten wollen, weil wir dämlich gequatscht haben, gelästert über die Scheiße, da wollten sie uns wegjagen, da haben sie uns vertrieben. Das war ja der erste Tag, der 12. August. Da war dann ja noch kein Schießbefehl und Honecker und die Banditen wollten uns immer erzählen, dass sie uns schützen wollen vor dem Westen, aber die durften ja kommen! Und wir durften nicht!“

 

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