Namen & Neues
Vorkauf der Taborstraße 3 an Verwaltungsfehler gescheitert
Veröffentlicht am 26.11.2020 von Corinna von Bodisco
Für die Ausübung des bezirklichen Vorkaufsrechts war schon alles vorbereitet: Als die Mieter*innen der Taborstraße 3 vom Verkauf ihres Wohnhauses im Milieuschutzgebiet Wrangelkiez erfuhren, vernetzten sie sich (tabor3.de) und starteten eine Petition (change.org), um auf den Fall aufmerksam zu machen. Über 8.500 Menschen unterzeichneten den Hilferuf „Rettet unsere Hausgemeinschaft“. Tatsächlich fand sich mit der Unterstützung des Mietshäusersyndikats eine Stiftung für den Kauf. Die Unterlagen wurden am 30. Oktober eingereicht – pünktlich genug, dachten die Mieter*innen, denn das Bezirksamt hatte den 9. November als Frist angegeben.
Falsche Frist. Doch am 8. November wurde die Mietergemeinschaft von einem Fehler unterrichtet: Fristende war nicht am 9. November, sondern bereits am 2. November. „Ein Kommunikationsfehler“, teilte Bezirkssprecherin Sara Lühmann mit. Das Bezirksamt habe am 1. September eine Mail mit dem Kaufvertrag erhalten, die aber nicht an die Gruppe „Erhaltungsgebiete“ weitergeleitet wurde. Diese für Vorkäufe zuständige Gruppe habe die Nachricht erst am 7. September postalisch erhalten. Auf dieser Basis wurde das Fristende dann falsch berechnet.
„Erst als die Frist abgelaufen war, fiel das Missverständnis auf“, heißt es weiter. Derzeit bemühe sich das Bezirksamt, „einen städtebaulichen Vertrag mit dem Ziel einer Abwendungsvereinbarung“ mit dem Käufer – der SG Holding GmbH & Co KG – zu vereinbaren. Die Abstimmungen dazu seien noch nicht abgeschlossen. „Auch Verhandlungen über zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen Eigentümer und Mieter*innen sind noch nicht abgeschlossen“, so das Bezirksamt. Zur Frage, ob mit diesen Verhandlungen Abfindungen oder Auflösungen von Mietverträgen gemeint sind, erhielt ich von den Mieter*innen bis Redaktionsschluss keine Antwort.
Interessant: Laut der taz ist Stephan Gmyrek der Inhaber der Holding. Die Gmyrek & Co. GmbH wiederum hatte 2019 in derselben Straße schon mal ein Haus gekauft (Taborstraße 20, wir berichteten). In diesem Fall klappte es mit der städtebaulichen Vereinbarung.
Der SPD-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg sieht die Schuld für das Fristversäumnis bei Florian Schmidt (Grüne). Der Vorfall schade dem wichtigen Instrument des Vorkaufsrechts. Die Mieter*innen der Taborstraße, „die innerhalb kürzester Zeit einen Vorkauf durch eine Stiftung organisiert haben“, bleiben frustriert zurück. „Wir erwarten Aufklärung und Maßnahmen, dass dies nicht mehr vorkommt“, schreibt die SPD-Kreisvorsitzende Marie Scharfenberg.
Tatsächlich ist der Verwaltungsfehler für die Hausgemeinschaft eine große Enttäuschung. Neben dem verpufften Engagement haben die Mieter*innen selbst auch kein Recht auf Widerspruch, dafür müssten sie Teil des Vorkauf-Verfahrens sein.
Zu diesem Punkt eine kurze Idee: Nehmen wir mal an, jeder Mensch, der zur Miete wohnt, hätte grundsätzlich ein Vorkaufsrecht für die angemietete Wohnung. Es gäbe ein entsprechendes Gesetz, einen Vermögensfonds für zinslose Kredite, der wiederum über die Miete getilgt werden könnte. Wie wäre das, würden Sie Ihre Wohnung kaufen? Antworten gerne an: Corinna.Bodisco@extern.tagesspiegel.de. Text: Corinna von Bodisco
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