Namen & Neues
Unterwassermüll in der Spree oder über die Untiefe der Unzuständigkeiten
Veröffentlicht am 18.02.2021 von Corinna von Bodisco
Langsam taut die Eisschicht auf der Spree wieder: Blick frei auf den Unterwassergrund. Was kommt zum Vorschein? Unterwassermüll! Insbesondere von Brücken werden Leihräder, -roller mit umweltschädlichen Lithiumionenakkus und andere Gegenstände ins Wasser geworfen – achtlos und ohne einen Gedanken, was danach damit geschehen mag.
Vielleicht erinnern Sie sich: Ende Januar und Anfang Februar fischte die Initiative Spree:publik bei zwei Aufräumaktionen insgesamt über 120 Gegenstände (Leihräder, -roller, Einkaufswägen, Möbel usw.) aus dem Wasser. Unterwegs waren sie im Bereich zwischen Oberbaumbrücke und Molecule Man „Für die nächste Aktion erhoffen wir uns Unterstützung von Bezirk oder Senat… es gibt nämlich noch sehr viel zu tun“, schreiben die Aktiven auf ihrer Instagram-Seite.
Wer macht den Unterwassergrund eigentlich sauber, wenn nicht die Freiwilligen? Die Wasserschutzpolizei erzählte Spree:publik, der Bezirk sei dafür zuständig. Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) zeigte sich darüber auf Twitter überrascht und fragte nach. Ergebnis: „Das Straßen- und Grünflächenamt sagt, das Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA) muss das machen“.
Das stimmt zwar, aber nur zum Teil. Es stimmt, weil der Spreebereich an der Oberbaumbrücke („Spree-Oder-Wasserstraße“) eine Bundeswasserstraße ist. Das WSA „ist für die Beseitigung von Verkehrshindernissen auf der Gewässersohle zuständig“, teilt WSA-Sprecher Björn Röske mit. Die „Gewässersohle“ ist der tiefste Bereich zwischen den Uferzonen – für große Schiffe muss diese auch so tief bleiben wie sie ist. Bei einer jährlichen „Verkehrssicherheitspeilung“ werden laut Röske sowohl die Wassertiefe geprüft sowie Hindernisse wie Autos (!) und Fahrräder beseitigt. Es käme auch vor, dass „die Schifffahrt Grundberührungen meldet“. Dann würde das WSA spontan tätigt und räume den Bereich.
Trotzdem: „Eine Beräumung der kompletten Bundeswasserstraßen ist für das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt nicht möglich“, heißt es vom WSA. Um die Dimension „komplette Bundeswasserstraße“ zu verstehen, hilft die Vorstellung, dass die Oberbaumbrücke 150 Meter lang ist – etwa so breit ist dort auch die Spree. Das WSA ist für den Bereich in der Mitte zuständig, zwei Schiffe müssen mit einem Sicherheitsabstand aneinander vorbeifahren können. Gewerbliche Schiffe können durchaus 12 Meter breit sein. Überschlägt man diese Werte, kommt man auf höchstens 35 Meter Breite. Für diesen Bereich ist das WSA verantwortlich. Und der restliche Bereich von etwa 100 Meter Breite?
Uferbereich: Ein anderer Teil der Verantwortung, vornehmlich dort, „wo Menschen ans Wasser herantreten können“, wie ein Sprecher der Umweltverwaltung sagt, liege beim Land Berlin. Es würden auch Firmen beauftragt, die ein bis mehrmals im Monat sauber machten. Ein Problem sei aber die Entsorgung des Mülls. Wenn die Fahrräder und Roller noch als solche erkennbar sind, seien sie noch Eigentum der Besitzerfirmen und könnten nicht abtransportiert werden. Das Land Berlin könne sie auch nicht zwischenlagern, „weil das Geld kostet“.
Wenn Umweltbelastungen wie ausgelaufene Ölpackungen auftreten, würden diese natürlich beseitigt. Doch liegt ein E-Roller mit den umweltschädlichen Lithiumionenakkus im Wasser, gelte dies verwaltungstechnisch noch nicht als Belastung – „nur wenn er austritt“, heißt es vom Senat. Das werde regelmäßig mit Wasserproben geprüft. Die Umweltverwaltung bestätigt, dass die Verschmutzung des Unterwassergrundes mit Leihrädern, -rollern und anderem Müll zugenommen habe. „Wir geben mehrere 100.000 Euro aus, um die Gewässer zu säubern“, betont der Sprecher.
Trotzdem liegt viel Müll mit umweltschädlichen Stoffen auf dem Wassergrund – das zeigen die Aktionen von Spree:publik. Was zeigt dies außerdem? Eine Untiefe der Unzuständigkeiten.