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Sicherheitsrisiko? Räumungsklage über "Kisch & Co." wird in Moabit verhandelt

Veröffentlicht am 08.04.2021 von Corinna von Bodisco

Der Gerichtstermin für die Räumungsklage gegen die Kiez-Buchhandlung „Kisch & Co.“ in der Kreuzberger Oranienstraße 25 wurde verlegt: vom 9. auf den 22. April. Aber nicht nur das Datum, auch die Räumlichkeiten haben sich geändert. Die Verhandlung wird nicht im Landgericht Mitte, sondern in einem Raum des Kriminalgerichts Moabit stattfinden. Als Grund führte das Gericht die „Sicherheitslage“ an. Für einen Zivilprozess ist das ungewöhnlich.

Dem Buchladen, den es seit 23 Jahren im Kiez gibt, droht die Räumung durch den Luxemburger Vermieter. 2020 wurden die Gewerberäume von einer Fondsgesellschaft mit Sitz in Luxemburg gekauft. Hinter dem Firmenkonstrukt stecken wohl Erb*innen der skandinavischen Milliardärsfamilie Rausing, die ihr Vermögen der Erfindung des Tetra Paks verdankt. Ende Mai 2020 lief der Mietvertrag des Buchladens aus.

Durch die vom Gericht angedeuteten Sicherheitsbedenken fühlt sich Inhaber Thorsten Willenbrock vor den Kopf gestoßen. „Wir haben immer friedlich protestiert“, sagt er und meint damit die Kundgebungen und die Kampagne „Volle Breitseite für Kisch & Co.“, die im Sommer 2020 gemeinsam mit den Kiezinitiativen wie „Bizim Kiez“ und „GloReiche Nachbarschaft“ veranstaltet wurden. „Die Unterstützer des Buchladens fühlen sich kriminalisiert, dabei haben sie nur von ihrem Grundrecht zu protestieren Gebrauch gemacht“, sagt der Inhaber.

Auf der Internetplattform change.org haben bis Donnerstagmittag rund 17.700 Menschen eine Petition gegen die Räumungsklage unter dem Motto „Die Kiezbuchhandlung gegen die Milliardäre“ unterschrieben. Anfang Januar waren es erst 3.000.

Was mit dem Grund „Sicherheitslage“ gemeint ist, könne nicht weiter ausgeführt werden, sagte der Sprecher des Landgerichts dem Tagesspiegel am heutigen Donnerstag. Auch der Anwalt der Beklagten, Benjamin Hersch, hatte das Gericht gebeten, genauer darzulegen, warum es bei einem Zivilprozess zur Räumung eines Buchladens zu einem Sicherheitsrisiko kommen soll.

Bei der ersten Verlegung des Gerichtstermins nach Mitte wurde mit der „Pandemielage“ argumentiert, aber darum geht es hier wohl nicht. Hersch vermutet, der Staatsschutz habe dem Gericht einen Tipp gegeben, dass etwas passieren könne. Das sei schon mal in einem Verfahren mit der Rigaer Straße vorgekommen.

Wie stehen die Erfolgsaussichten für Kisch & Co.? Die Verhandlung vor der 55. Zivilkammer wird laut Hersch schwierig für den Buchladen – aussichtslos sei sie aber nicht. Der Rechtsanwalt meint, das Kündigungsrecht des Wohnraummietrechts müsse analog auf das Gewerbemietrecht angewendet werden. Denn für Gewerbemieter*innen gebe es keinen Schutz, bisher fehle in Deutschland eine entsprechende Regelung. Das führe dazu, dass kleine Gewerbetreibende ihre Räume und ihre Existenz verlieren, sagt Hersch. Um das zu verhindern müsse eigentlich die Art des Gewerbes berücksichtigt werden – wie zum Beispiel in Frankreich.