Namen & Neues

Vorkauf der Reichenberger Straße 108 gescheitert

Veröffentlicht am 20.05.2021 von Nele Jensch

Anfang Mai hatte Kollegin Corinna von Bodisco von der Reichenberger Straße 108 berichtet, deren Mieter*innen gegen den Verkauf ihres Hauses protestierten und einen Vorkauf durch den Bezirk anstrebten – dieser scheiterte gestern. „Es ist besonders schade für dieses Haus, das prädestiniert für den Milieuschutz ist“, schreibt Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) auf Twitter; Schmidt hatte sich sehr für einen Vorkauf eingesetzt und unter anderem geäußert: „Wenn dieses Haus nicht vorgekauft wird, versteht das niemand mehr“ – ein Verweis auf die „ausgesprochen vielfältige Bewohner*innenstruktur“ (die Mieter*innen stammen aus 14 verschiedenen Ländern).

Käuferin ist die Urbane Werte GbR, die zur Hansereal Grundstücks GmbH in Hamburg gehört. Im letzten Leute-Beitrag hieß es, der Käufer sei ein Investment Fonds, das von den Mieter*innen genannte Unternehmen wusste jedoch nichts von dem Kauf. Dieser Irrtum konnte nun aufgeklärt werden. Eine Abwendungsvereinbarung, mit der sie sich zum Schutz der Mietenden verpflichten würde, wollte die Urbane Werte GbR dem Bezirk zufolge nicht unterschreiben.

Vom Bezirk war bis Redaktionsschluss dieses Newsletters kein Statement mehr zu bekommen, aber der Grund für das Scheitern des Vorkaufs war wohl ein – eigentlich verhältnismäßig kleines – finanzielles Problem: Die Gewobag war grundsätzlich bereit, das Haus zu kaufen, allerdings hätte sich der Ankauf nur mit einem Zuschuss des Landes gerechnet. Für diese Zuschüsse gibt es Regeln, an die der Finanzsenator gebunden ist. Diese Regeln sehen Zuschüsse von bis zu zehn Prozent des Kaufpreises vor – im Fall der Reichenberger Straße liegen sie jedoch knapp darüber. Die Differenz betrage 320.000 Euro, berichtet Mieter Hubert Truckenbrodt – „das ist weniger als der mittlere Preis einer einzelnen Wohnung in unserer Gegend.“

„Die Ablehnung des Ankaufs ist weder fachlich noch wirtschaftlich nachvollziehbar“, sagt Gaby Gottwald, für die Linke im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen im Abgeordnetenhaus. „Das Ziel des Vorkaufsrechts ist die Sicherung des öffentlichen Interesses. Dies sind die Ziele des Milieuschutzes: Stabilisierung der sozialen Zusammensetzung der Bewohnerstruktur im Erhaltungsgebiet. Die Frage der Wirtschaftlichkeit des Ankaufs ist ein Kriterium bei der Abwägung. Die Senatsverwaltung für Finanzen erhebt dies jedoch zum zentralen oft alleinigem Kriterium, fokussiert sich auf den Aspekt Wirtschaftlichkeit. Dies verhindert oft die Durchsetzung des öffentlichen Interesses. Es liegt in der Natur der Sache, dass insbesondere preiswerter Wohnraum geschützt werden soll. Der Ankauf ist daher oft kein wirtschaftliches Schnäppchen, wenn zudem der Kaufpreis wenig moderat ist. Wir müssen dafür sorgen, dass die Schlüsselfrage- Schutz vor Verdrängung – wieder in den Mittelpunkt rückt. Wir brauchen deswegen ein Begleitgremium bei der fachlichen Entscheidungsfindung. Es kann nicht eine Person in der Finanzverwaltung das letzte Wort sprechen.“