Namen & Neues

Kunst und Gemüse: Ein Garten für die Gemeinschaft

Veröffentlicht am 11.08.2022 von Corinna von Bodisco

Leuchtende Blüten, grüne Stauden und reifendes Gemüse allerorten. Und dazwischen schmücken liebenswerte Holzarbeiten die Hochbeete, kunstvoll gefertigte Pflanztaschen und eine goldene Statue. Kunst und Gemüse eben. So heißt der Gemeinschaftsgarten direkt neben dem Blankensteinpark im Bezirksdreieck Pankow, Lichtenberg und Friedrichshain – eine Augenweide. Rund 100 Hochbeete gibt es hier, gegliedert in fünf „Beetinseln“, erzählt Doreen Bialas. Sie ist Gründerin und stellvertretende Vorsitzende des Vereins, der den Gemeinschaftsgarten seit dem vergangenen Jahr betreibt. Etliche Jahre hat es gedauert, bis der Bezirk endlich zustimmte.

Die Beetinseln seien extra so angelegt worden, damit sich die Nutzer:innen leichter miteinander vernetzen können und sich etwa eine gemeinsame Sitzfläche einrichten könnten, erzählt die gebürtige Berlinerin Bialas. Auch eine Sitzbank rund um den Stamm eines dicken Baums gibt es. Einen Zaun gibt es nicht. Für Bialas zählt die Gemeinschaft und das gegenseitige Kennenlernen mehr als der Ertrag auf dem Gemüsebeet. „Der Garten ist der kleinste gemeinsame Nenner“, sagt Doreen Bialas, „was daraus entstehen kann, ist viel, viel mehr.“ Für sie und den Vereinsvorsitzenden und Lebenspartner Filip Stahl stehen das soziale Miteinander und die Nachbarschaft im Zentrum des Projekts.

Sie habe sich einen Ort gewünscht, an dem man nicht allein bleibt, sondern andere Menschen kennenlernt, einfach zusammen ist oder Musik macht – wie ein Dorf in der Stadt eben. Doreen Bialas war das als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern besonders wichtig. Schließlich sei Friedrichshain ein Bezirk mit hoher Fluktuation und Anonymität. Deshalb wurde für den Gemeinschaftsgarten ein großer Tisch gebaut, damit dort möglichst häufig Menschen zusammen sitzen und gemeinsam essen. So wie sie das aus ihrer Kindheit in Ost-Berlin kenne, wo es normal gewesen sei, dass in den Hinterhöfen die Menschen dazu kamen, wenn andere Nachbar:innen dort um den Tisch herum saßen.

Doreen Bialas und Filip Stahl haben sich schon vielfältig für ihren Kiez engagiert. Ursprünglich wollten sie zusammen mit anderen Initiativen die große Brachfläche an der Werneuchener Wiese am Volkspark Friedrichshain zu einem großen Kiezzentrum mit Garten machen. Zunichte machte den Vorschlag die Entscheidung der Berliner Landesregierung, auf dieser Fläche temporäre Schulbauten zu errichten. Letztlich erfolgreich, wenn auch anderes als geplant, war dafür ihre Bürgerinitiative „Nicht noch‘n Center“, die den Bau einer Shoppingmall in den denkmalgeschützten, aber abrissgefährdeten Schlachthöfen an der Landsberger Allee kritisierte. Zwar scheiterten auch hier ihre eigenen Vorschläge zur Sanierung und Nutzung. Heute sind die historischen Schlachthof-Hallen aber immerhin restauriert und nun Teil eines Büro-, IT-, Gastronomie- und Event-Komplexes mit 3000 Arbeitsplätzen.

Der Verein Kunst & Gemüse hat 115 Mitglieder, aber mit einem Verein hat die Initiative wenig gemein. Ungewöhnlich ist etwa, dass allen freie Hand gelassen wird – jede:r kann kommen und es gibt keinerlei verpflichtende Termine oder Tätigkeiten. „Erstaunlich“ sei, wie gut das Experiment trotzdem laufe, und die Gärtner:innen selber aktiv werden, wenn es nottut, freut sich Doreen Bialas.

Die Menschen sitzen zusammen, die Kinder machen Matschepampe, und niemand bleibt allein. Zu den gärtnerischen Aktivitäten, dem Anbau und der Beetpflege, trete als zweites Element auch die künstlerischen Aktivitäten hinzu. An Sonntagen treten ab und an  Künstler:innen auf, bei der Fête der la Musique war man als Spielort dabei. Und bald soll es eine Lesung geben. Am Sonntag, den 14. August, steht ab 16 Uhr sogar die offene Probe für eine Operette im Kalender. „Tutti d‘amore“ – eine zeitgenössische Operette, erzählt Filip Stahl. Damit kehre die Kunstform der Operette wieder zu ihrem Ursprung zurück, so Stahl: Als Unterhaltung für das Volk auf der Straße. Die Veranstaltung ist kostenlos – Besucher:innen müssten aber Sitzgelegenheiten und Verpflegung selber mitbringen, sagt Stahl. Grills seien übrigens nicht erlaubt.