Kiezgespräch

Veröffentlicht am 06.09.2018 von Nele Jensch

Seit fast 15 Jahren betreibt Carmen Lessoued-Metzdorf den Blumenladen Pusteblume in der Samariterstraße 9. Nicht nur ihre Kund*innen, auch die Nachbar*innen schätzen ihre „Blumenfrau“, die so etwas wie die gute Seele des Hauses ist, Pakete annimmt und an Nikolaus Süßigkeiten an die Wohnungstüren hängt. Doch Lessoued-Metzdorf hat gleich an mehreren Fronten zu kämpfen: Zum einen leidet sie, wie der gesamte Einzelhandel im Kiez, unter der Sperrung der Rigaer Straße seit August 2017 wegen der Bauarbeiten am umstrittenen Carré Sama. „Die Folge sind sehr hohe Umsatzeinbußen und ein ebenfalls sehr hoher Kundenverlust“, so Lessoued-Metzdorf. „Eine Ausgleichszahlung durch die Bauherren gibt es leider nicht.“ Um die Bauzeit zu überbrücken, hat Lessoued-Metzdorf einen Kredit aufgenommen – aber ob sie den je zurückzahlen kann, ist fraglich.

Ihr zweites Problem ist weitaus größer: Im Juni erhielt sie per Post die Kündigung ihrer Geschäftsräume zum Ende des Jahres, mit gerade mal fünf Monaten Vorlaufzeit. Auf den ersten Blick wirkt die Kündigung rechtens, denn Lessoued-Metzdorfs Mietvertrag war immer jeweils nur auf ein Jahr befristet, wurde jedoch bis dato stets automatisch verlängert. Vor zweieinhalb Jahren jedoch wurde das Haus verkauft, und zwar an die Longan Properties S.a.r.L mit Sitz in Luxemburg. Verwaltet wird das Gebäude seither durch die Hausverwaltung Klingsöhr. Der neue Eigentümer habe sich damals postalisch vorgestellt, so Lessoued-Metzdorf. „In dem Schreiben stand, dass sich für mich nichts ändern würde, lediglich die Bankverbindung“, erzählt Lessoued-Metzdorf. Deshalb habe sie sich keine Sorgen um ihr Geschäft gemacht. Warum der „Blumenfrau“ gekündigt wurde, teilte die Hausverwaltung ihr nicht mit. „Einen Plan, wie es weiter gehen soll, wenn ich tatsächlich schließen muss am Ende des Jahres, habe ich nicht“, sagt Lessoued-Metzdorf. Sie sei 57, „wo soll ich noch einmal Fuß fassen können? Es ist finanziell die reinste Katastrophe für mich.“

Die Longan Properties verfügt zwar über zwei verschiedene Postanschriften in Luxemburg-Stadt, hat aber weder eine Homepage noch eine Telefonnummer. Die Vermutung, dass es sich um eine Briefkastenfirma handelt, liegt nahe. Die Hausverwaltung Klingsöhr hingegen existiert nicht nur auf dem Papier, sondern ist telefonisch erreichbar. Allerdings ist dort für eine Stellungnahme zunächst niemand zu finden; erst nach der Ankündigung, genau diese Tatsache zu veröffentlichen, reagiert die Hausverwaltung: Der Eigentümer sei grundsätzlich an der Fortsetzung des Mietverhältnisses interessiert, wolle jedoch neue Vertragskonditionen mit Frau Lessoued-Metzdorf verhandeln.

Eine einigermaßen überraschende Mitteilung, denn im Kündigungsschreiben war von einer potentiellen Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht die Rede. „Warum kündigt man erst den Mietvertrag , wenn man eigentlich ’nur‘ eine höhere Miete möchte“, fragt sich die „Blumenfrau“. Vor allem aber wurde der Mietvertrag nicht durch die dubiose Logan Properties gekündigt, sondern durch Klingsöhr, die jedoch keine Vollmacht dafür hat. Lessoued-Metzdorf hat sich einen Anwalt genommen; zur Zahlung einer höheren Miete ist sie angesichts der rechtlich vermutlich unwirksamen Kündigung nicht bereit.